Wir waren nicht untätig

Auch wenn ich die letzte Zeit nichts berichtet habe, heißt das nicht, dass wir auf der faulen Haut gelegen hätten. Im Gegenteil, es gab viel zu tun.

Fangen wir mit dem Hoppel-Haushalt an. Die Luna wird in diesem Jahr wieder dem Osterhasen zur Pfote gehen und Eier verstecken am Samstag in der Nacht. Eigentlich hatte sie sich auf ein paar entspannte Urlaubstage eingerichtet, an denen sie mal nicht Badereisen für Hornissenschwärme oder Wanderferien für Graugänse zusammenstellen müsste, aber da der Fachkräftemangel inzwischen auch das Ostergeschäft erreicht hat, bringt sie es einfach nicht übers Herz, den Osterhasen im Stich zu lassen. Schaurige Geschichten weiß er zu erzählen von allerlei Aushilfskräften (Makrelen, Heringen), denen die Eier zwischen den Flossen weggeflutscht und gegen die Bäume geklatscht sind. Andere (Nilpferd, Elefant) standen beim Kehrtmachen plötzlich mit einem Bein im Nest und haben den Matsch über die sauber gefegten Gartenwege der Kundschaft gestempelt. Außerdem waren umgerannte Büsche, Gartenhäuschen und Zierbrunnen zu beklagen neben niedergetrampelten Beeten und Blumenrabatten. Nee, so was ist natürlich unvertretbar, schließlich handelt es sich beim Osterhasen um ein Traditionsunternehmen, das einen Ruf zu verlieren hat. Die Luna ist stolz wie Bolle, dass man sie anfragt. Sie hilft gern. Die Referenz macht sich gut auf ihrer Firmen-Homepage.

Der Osterhase, Unternehmer des Jahres - hier ein Privatfoto

 
Auch der Erik wird wieder ausrücken. Er hat sich – wie jedes Jahr – freiwillig auf die Liste des Aufräumkommandos setzen lassen. Nach den Feiertagen schwärmt man aus, um die übersehenen Eier einzusammeln und der Weiterverwertung zuzuführen. Das ist hygienisch und ökologisch zugleich, denn die gammeligen Eier verkauft man weiter als Wurfware. Sie sind sehr beliebt bei Demonstranten jeglicher Couleur.

Diesmal wird der Erik begleitet vom Mörßel. Ja, ihr habt richtig gehört. Die beiden sind sich näher gekommen, seit sie damals ihre Mädels, die Luna und die Fendy, am Flughafen verabschiedet hatten, als wir zur Route 66 aufbrachen. Seitdem sind sie geradezu unzertrennlich, allerdings nicht unbedingt zum Segen der restlichen Welt. Der Mörßel wollte unbedingt das Pött-Pött-Pött fahren. Er hat sich als Chauffeur der „Flying Hoppers‟ angeboten. Mit dem Einzug des milderen Wetters beginnt auch wieder deren Saison mit etlichen Tourneen in die nähere und fernere Umgebung. Auch hier ist der Erik nach wie vor unentgeltlich engagiert, obwohl er geschäftlich total eng eingebunden ist. Daher wäre die angebotene Unterstützung eine echte Entlastung, sofern der Mörßel zwei Pfoten besäße, mit denen er das Lenkrad festhalten könnte. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wie er auf dem Parkplatz vor Eriks Haus in Celle mit dem Pött-Pött-Pött herumgegurkt ist wie mit einem besoffenen Golf-Caddy, vor und zurück, nach links und rechts, die beiden Flügel ums Lenkrad geklammert wie zwei Topflappen um die Kasserollengriffe.
„Hör auf!, hat der Erik geschrien. „Das ist ja lebensgefährlich. So kriegst du niemals deinen Führerschein.‟

Die andere Idee vom Mörßel war leider auch nicht erfolgreicher, jedenfalls nicht auf lange Sicht. Er hat dem Erik den Floh ins Ohr gesetzt, er solle zur Steigerung des Umsatzes Verkostungsveranstaltungen für den Öhry-Möhry-Schnaps anbieten. Im Moseltal mache man das ja auch mit Wein und in Bayern mit Bier, beides, soviel er wisse, sehr umsatzstark. Wenn man nun ein Event daraus machte, vielleicht mit Musik, Fingerfood und Kindervergnügen wie Topfschlagen und Tombola, dann wäre es doch gelacht, wenn es nicht flutschte wie geölt. Die Kundschaft würde einem die Bude einrennen, todsicher! Dem Erik ist das zunächst nicht ganz geheuer gewesen, doch je länger er darüber nachdachte, desto besser fand er die Idee.

Nun hätte sich natürlich als Austragungsort der heimische Garten angeboten. Hier hätte man Bänke aufstellen und Lampions in die Bäume hängen können. Leider aber war es damals noch Winter und daher zu kalt und zu trist für draußen. Außerdem steht dort noch immer Eriks und Lunas spartanisches Heim, das eher Mitleid erregt, als Kompetenz und Geschäftstüchtigkeit zu symbolisieren. Wir erinnern uns: Vor eineinhalb Jahren war der Keller samt Garten abgesoffen und wir hatten der Family hübsche Pläne unterbreitet, wie sie den beiden ein neues, repräsentatives Anwesen gestalten könnten. Und was ist daraus geworden? Nichts. Sie haben das Stroh einfach getrocknet und mit dem ganzen alten Krempel wieder in den Garten gestellt. Ich bin noch immer entsetzt. Muss man sich als vollwertiges Familienmitglied so behandeln lassen, zumal der Junior-Chef zwischenzeitlich ausgezogen ist und nun in einer Studentenbude lebt, die ja schließlich auch nicht nur aus einer Luftmatratze in einem Faltzelt besteht. Bei so was könnte ich mich immer maßlos aufregen. Wir Tiere sind und bleiben immer hintenan, immer, es sei denn, ein gnädiges Krümelchen weht zufällig in unsere Richtung. Gut, dass die Luna und der Erik so bescheiden sind. Nach eigener Aussage mache ihnen der mickrige Gartenstall nicht viel aus.
„Kunststück‟, hat der Karlsson angemerkt. „Die Lagerräume und die Büros befinden sich ja im Haus.‟

Das stimmt. Und genau dort haben wir die Auftaktveranstaltung ausgerichtet. Alle haben mitgeholfen. Die Fendy hat die Getränkekarten und die „WC‟- und „Privat‟-Schilder entworfen und ausgedruckt. Die Cora hat Schnittchen und Tomaten-Mozzarella-Spieße gemacht und auf den Tischchen verteilt, die der Karlsson mit dem Micky Bonaparte im Wohnzimmer aufgestellt hatten. Ich habe die Anlage angeschlossen und die Polly ist mit dem Mörßel herumgegangen, die Servietten  zu platzieren und die Schnapsgläser aufzureihen. Die Luna ist unterdessen bei der Family geblieben, um mit ihnen Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen, damit sie Ruhe bewahrten und möglichst nicht aus dem Elternschlafzimmer herauskämen.

Der Beginn war auf einen Samstag um 15.00 Uhr gesetzt. Angemeldet hatte sich eine Gruppe Landfrauen aus dem nahen Burgdorf. Es handelte sich um sieben Wildschweine, acht Eichhörnchen, drei Blaumeisen, fünf Amseln und drei Maulwürfe. Die Igeldamen hatten abgesagt wegen Winterschlaf. An der Stirnseite vor dem Wohnzimmerregal lagerten zwei Eichenfässer. Die hatte der Mörßel organisiert, weil er meinte, das sehe urig aus. Hier stand der Karlsson und zapfte den Schnaps nach, sobald er verlangt wurde. Die Garderobe machte die Polly, das Servieren übernahm die Cora und ich habe mit dem Micky Bonaparte an der Tür gestanden und die Passanten in die gewünschte Richtung gelenkt, sobald jemand nach dem Klo fragte oder neugierig die Treppe hochlaufen wollte in Richtung der Privatgemächer. 

 Damit der Sprit nicht ausging


   
Das Ganze dauerte etwa eineinhalb Stunden. Dann waren die Gäste bereits angeschickert und grölten die Lieder mit, die ich extra dafür rausgesucht hatte. Klug ist es, mit leiser klassischer Musik zu beginnen (wirkt seriös) und dann auf Schlager und Ballermannlieder umzuschalten. Das löst die letzten Hemmungen. Folglich hatte der Erik keinerlei Mühe, den Damen das bereitgehaltene Bestellformular hinzuschieben. Es wurde reichlich Öhry-Möhry-Schnaps geordert. Der Firmenchef war zufrieden.

Weniger gut klappte allerdings, die grunzenden Weiber samt Anhang wieder loszuwerden. Eile war geboten, denn die zweite Gruppe sollte bald anrücken. Während die Cora neue Schnittchen belegte und der Lütte mit dem Mörßel das Geschirr spülte, sind die Fendy und die Polly mit dem Kehrbesen übers Parkett gegangen und haben frische Servietten nachgelegt. Derweil musste im Hausflur der Karlsson nachhelfen, um auch die letzte schwankende (aber sehr aufgeräumte!) Bache vor die Tür zu setzen. Ich glaube nicht, dass es unter Belästigung fällt, wenn man angesichts dieser Notlage hier und da in einen Hintern kneift. Beschwerden sind jedenfalls nicht eingegangen.

Sie vergab 5 Sterne  
Dann traf die zweite Gruppe ein, ein Erpelstammtisch (der Mörßel lag fast platt auf dem Boden vor Liebesdienerei) mit zwei einzelnen Blesshühnern und einem Skunk-Ehepaar von einem Alternativhof aus Isernhagen. Das einübte Programm begann von vorn, jeder wusste, was zu tun war, alles lief bestens. Auch diese Gäste schunkelten bald im Takt und ließen etliche Bestellungen da. Nur musste die Fendy diesmal unter dem Regal und hinter den Blumentöpfen ganze Sammlungen an Mozzarella-Bällchen zusammensuchen, da die Herren damit Werfen ins Schnapsglas gespielt und schlecht getroffen hatten. In der Küche wurden die Bällchen abgeklopft und neu auf die Spieße gefedelt.
„Alkohol desinfiziert‟, lautete Coras Kommentar. „Besonders gut im Magen.‟

Bei der dritten Gruppe waren Kinder zu beschäftigen. Das hat die Polly übernommen. Viermal Meerschweinchen-Nachwuchs spielte Kriegen und Verstecken immer um ihre Eltern herum und zwischen den Beinen der beiden Schafe und der beiden Kühe hindurch. Anschließend wurden Gummipfeile auf eine Dartscheibe geworfen. Die Gewinner kriegten Junior-Schokolade und Plaketten mit dem Öhry-Möhry-Logo drauf (das lief unter Neukundenwerbung). Zwischenzeitlich hat auch der Lütte Bonaparte ein paar Runden mitgespielt, aber nicht lange, da er unter einer der beiden Kühe hindurchgerannt war und dabei ihren Euter gestreift hatte.
„Huuuuch!‟, ist die Dame aufgeschreckt und hat im Rückwärtsgehen den Karlsson gegen die Fässer gedrückt, so dass er fast so flach wurde wie ein Flokati. Luft ist aus ihm rausgeströmt wie aus einer müden Wärmflasche. Die Kuh war kitzelig und der Karlsson fortan schlecht gelaunt. Ihn tröstete es kein bisschen, dass auch diese Gäste fleißig die Bestellbögen ausfüllten. Um ehrlich zu sein, hat bei manchem der Erik den Kugelschreiber in Huf oder Pfote geführt, wenn dies trotz (oder wegen) offensichtlicher Fröhlichkeit motorisch nicht mehr möglich war. Am Ende zählt, was in der Kasse liegt.

Das Schlachtfeld im Wohnzimmer haben wir abends gemeinsam beseitigt. Wir sind gut darin, denn wie viele Räume wurden schon von uns in den letzten Jahren nach unseren Partys auf Vordermann gebracht?  Außergewöhnlich war diesmal nur, dass ganze Schnapsfässer nach draußen gerollt werden mussten. Der Lütte Bonaparte hat sie bis an die Haustür geschoben und ihnen dann einen Schubs gegeben, so dass sie polternd von allein die Treppe runterstürzten und im Gebüsch liegen blieben.
„Was ist?‟, hat er gefragt, als die Cora aus dem Küchenfenster guckte und den Kopf schüttelte.

Wusstet ihr, dass Karottenschnaps wie Hulle klebt? Am liebsten hätte ich das Wohnzimmer mit dem Gartenschlauch ausgespritzt, aber der Erik hat gesagt, dass sei nicht gut fürs Parkett. Hochgewölbte Planken könne er schlecht seiner Family als individuelle Wohnraumgestaltung verkaufen. Also mussten wir alle zusammen zu Boden sinken und alles einzeln mit dem Feudel aufwischen. Das war vielleicht eine Ackerei.

Aber Spaß gemacht hat der Nachmittag trotzdem. Es blieb sogar noch Zeit, spätabends den Gutschein einzulösen, den der Erik uns zum Dank mitgeben hat. Wir sind bei einem Griechen in Celle eingekehrt. Dort gab es Bifteki für die Hunde und Salat mit ordentlich Knoblauchdip für uns Vögel und den Wasserheini, den Mörßel, der noch nicht so vertraut ist mit der internationalen Küche. Der Erik ist zu Hause geblieben. Er musste seine Bestellzettel noch mal ordentlich durchgehen. Auch die Luna ist nicht mitgekommen. Ihr oblag die Verantwortung, die Family freizulassen, sobald die Haustür hinter uns geschlossen war. Wie wir später erfuhren, hätten sich ihre Leute über den strengen Geruch nach Bauernhof gewundert und über die vielen Pfotenabdrücke auf den Gästehandtüchern. Oh Mann, die hatten wir vergessen auszutauschen. Und obwohl die Fendy großzügig ihr Eau de Parfum „Peacefull Smell‟ von Wilm van Vrees im gesamten Erdgeschoss versprüht hatte, ist es bemerkenswert, dass die menschliche Nase sich offenbar sofort beleidigt fühlt, wenn etwas auch nur entfernt nach Weide, Stall oder Kuhfladen riecht.

Celle. Irgendwann wird der Erik hier im Zentrum einen Laden eröffnen

 
Für die Zukunft hat der Erik daraus gelernt. Die nächsten Gruppen waren besser durchmischt, immer nur ein Wiederkäuer oder ein anderer Stinker pro Durchgang. Da waren wir aber nicht mehr dabei. Nur der Mörßel ist mit der Fendy regelmäßig nach Celle gefahren, um beim Ausschank zu helfen. Ich bin auch manchmal mitgegangen. Für die andern war die Anreise zu weit. Das Personal vor Ort hat der Erik über Zeitungsannoncen rekrutiert: eine Kaltmamsell und drei Putzfrauen, alles Hühner vom Eierhof in Wathlingen. Sie wollten sich was dazuverdienen und machten ihre Sache gut. Sie mieften auch nicht besonders stark. Trotzdem ist die ganze Schose bald den Bach runtergegangen. Nicht die mangelnde Nachfrage war das Problem, auch nicht die fehlenden Einnahmen. Im Gegenteil, das Geschäft lief bombig. Rein nach den Anmeldungen hätte der Erik jeden Tag drei Verköstigungen durchführen können. Aber wie so oft braute sich der Unmut in der engsten Umgebung zusammen. Die Nachbarn beschwerten sich über die grölenden Tiere, die jeden Freitag, Samstag und Sonntag sturzbesoffen in ihren Vorgärten saßen, weil sie dachten, dort sei die Bushaltestelle. Die Family war es leid, an genau diesen Tagen im Schlafzimmer eingesperrt zu werden, und hatte sich daher zum Junior-Chef in die Studentenbude geflüchtet, wo man zu viert eng zusammengerückt das Wochenende verbringen musste. Wenn man montags nach Celle zurückgekehrte, bemerkte man schon im Hausflur den Geruch nach Fusel und fremden Ausdünstungen, die einen irgendwie an Zoo oder Legebatterie erinnerten. So habe man sich das nicht vorgestellt. Augenblicklich wünsche man die bedingungslose Rückeroberung des heimischen Erdgeschosses. Ohne Wenn und Aber! An die vielen Push-Kartons im Haus und an den Drucker auf dem Esstisch habe man sich ja leidlich gewöhnt, aber dies hier – nee! Rücksicht erbitte man sich insbesondere für die Senior-Chefin, die damals nach dem exaltierten Pulloverstricken für den Erik bekanntlich psychisch angeschlagen in die Kurklinik hatte ausweichen müssen, und nun sei es wieder (fast) so weit. Das müsse ja nicht sein. Dem Erik könne guten Gewissens zugemutet werden, seinen Schnaps künftig zum Kunden zu bringen statt umgekehrt. Habe man sich verstanden? Ein für allemal?

Oha. Damit war es schlagartig vorbei mit den Verköstigungs-Events daheim. Bedröppelt musste der Erik die Fahnen streichen. Der Kreis schloss sich, weil nun der Mörßel wieder auf der Matte stand und erneut anbot, das Pött-Pött-Pött zu fahren, diesmal nicht für die „Flying Hoppers‟, sondern als Verkaufstournee mit Schnapsfässern an Bord. Der Erik hat die Augen verdreht, so wie es sonst die Cora macht, doch die war gerade nicht anwesend, um es selbst zu übernehmen.

Trotz dieses erzwungenen Rückgangs der Einnahmen können wir insgesamt auf eine erfreuliche Bilanz schauen. Lunas Reiseagentur und Eriks Geschäfte werfen immer noch ordentlich Kohle ab. Nicht zu vergessen Coras und Paules Hobbyverkauf ihrer Federn, der auch nicht schlecht abschneidet, und Karlssons Fellproduktion, die richtig gut läuft. Natürlich ist da noch Lukes Firma „Hopp & Ex‟, aber die arbeitet ja nicht für unsere Reisekasse, dennoch möchte ich sie erwähnt haben, da wir ja gelegentlich über großzügige Zuwendungen davon profitieren.

Bleiben wir erst mal beim Karlsson. Wie gesagt, die Wolle, die regelmäßig aus seinem Fell gebürstet wird, ist der absolute Renner in der Vogelwelt. Wer was auf sich hält, polstert sein Nest mit Karlssons Locken aus. Da der Produzent selber wenig Lust aufs Kaufmännische verspürt, übernimmt seil langem die Polly die Büroarbeit. Sie organisiert die Bestellungen und den Versand. Ihre eigene Wolle ist leider zu kurz und zu drahtig für den Export. Doch das belastet die Polly wenig. Sie macht dennoch einen recht glücklichen Eindruck. Seit sie krank ist, arbeitet sie nur noch so lange, wie es die Kräfte erlauben, und dann muss halt doch der Karlsson ran. In ihrer Freizeit begleitet die Polly gern den Lütten Emil, wenn er wieder einen Funkerkurs besucht. Neulich waren die beiden in Wien. Dort hat der Emil den ersten Preis beim Hochfrequenzlauschen gewonnen. Seine Ohren zieren jetzt das Titelblatt des Fachmagazins „Horch. Lausch. Listen.‟ Sachertorte haben sie gegessen und im Vieracker sind sie durch die Straßen kutschiert worden. Dabei soll der Lütte Emil huldvoll ins Volk gewinkt haben mit der Smartiesrolle in der Pfote, so wie es Könige früher machten auf Staatsbesuch. Aber das glaube ich nicht, dafür ist der Emil viel zu bescheiden. Das würde eher zum Karlsson passen oder zum Luke.

Manchmal fährt die Polly mit dem Emil und dem Lütten Bonaparte nach Hamburg, besucht den Fischmarkt und geht an der Alster spazieren. Obwohl beide keine kleinen Kinder mehr sind, hängen sie an ihrer Tante Polly wie dreißigjährige Ma...a-Bosse an ihrer italienischen Mamma.
„Hach, ist das schön, wenn man so umschwärmt wird‟, meint die Fendy dazu.
Heutzutage spendieren die Jungs der Polly die Pizza statt wie früher umgekehrt. Aber beide verdienen ja schon eigenes Geld. Da kann man gut mal eine Kleinigkeit abzweigen.

Doch zurück zum Karlsson. Seit wir von der Route 66 zurück sind, ist er noch bekloppter geworden. Ich hatte gedacht, dass mit dem Ende der Reise sein Faible für den 53er Buick Skylark erloschen sei, aber dem ist nicht so. Ganz im Gegenteil. Er hat jetzt einen Fanklub gegründet. Er nennt sich „German Friends of the Marvelous Skylark‟ und tagt – wie sollte es anders sein? –  im Herrenzimmer. Oh-oh, wenn das man nicht Ärger mit dem Papa gibt. Man stelle sich vor, wie wildfremde Leute (womöglich miefende Ziegenböcke oder behäbige Bernhardiner) durch das Heiligtum aus Miles-Davis-Platten und Whisky-Flaschen trampeln und sich ungeniert in die Sessel plumpsen lassen. Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob der Papa diesbezüglich mehr Humor beweisen würde als Eriks Family. Aber Gott sei Dank kann Entwarnung gegeben werden. Es hat sich nämlich nur ein einziger Interessent gemeldet, und das ist ein Goldhamster aus Sömmerda. Mit dem lässt sich bequem über Skype kommunizieren.
„Bist du enttäuscht?‟, habe ich den Karlsson am Telefon gefragt.
„Nö, wieso?‟, hat er geantwortet. „Nur Dummköpfe teilen ihr Wissen kostenlos.‟

Was damit gemeint war, haben wir wenig später erfahren. Der Karlsson macht jetzt Skylark-Tourneen. Das ist so was wie eine Lesereise, nur ohne Lesen, sondern mit Sprechen. Dazu fragt der Karlsson bei Bibliotheken, Freizeitheimen und anderen Veranstaltungsorten an, ob man ihn einladen möchte. Er biete einen Vortrag für faires Honorar, hochprofessionell recherchiert über ein exklusives Thema, das jeden interessiere. Hier – seine Referenzen von bisherigen Erfolgen (erlogen und ausgedruckt von der Fendy). Spielend fülle man zwar auch große Säle, aber hey, zwischendurch mache es durchaus Spaß, auch mal vor kleinem Publikum aufzutreten. Wann passe es den Herrschaften terminlich? Man habe noch ein paar wenige – sehr wenige! – Tage frei. Soll gleich hier und jetzt gebucht werden?

Das war ja n' dolles Ding: Der Karlsson auf Tournee. Ich habe mich natürlich sofort erkundigt, wann das Debüt stattfinden sollte. Dazu sind wir alle angereist, nach Plön ins Gasthaus „Wassereck‟, Hinterzimmer, wo sonst die Hochzeiten gefeiert werden. Ist doch selbstredend, dass wir unserm Freund bei diesem denkwürdigen Ereignis beistanden. Außer der Fendy, der Cora, der Polly, der Luna, dem Luke, dem Emil, dem Jack, dem Micky, dem Erik, dem Mörßel und mir saßen noch zwei weiße Hähne im Saal und ein Pärchen Turteltauben, das seinem Namen alle Ehre machte und herumkicherte, während der Karlsson an der Stirnseite an einem niedrigen Pult stand und seinen Vortrag hielt. Eigentlich ist Vortrag auch nicht der richtige Begriff. Es war mehr ein Schwärmen von etwas, das Fachfremde nur schwer kapierten, das aber in jeder Einzelheit gepriesen wurde. Ich glaube, von Felgen war die Rede, von Sitzen, von Rädern, vom Kühlergrill, vom Verdeck, vom Lenkrad und von Scheibenwischern, eventuell auch von der Farbe der Polsternähte und der Form der Hutablage. Dazu wurden an eine Leinwand die zugehörigen Bilder geworfen. Immerhin sah man sofort, dass es sich um ein Auto handelte. Der Wechsel von einem Motiv zum andern gelang reibungslos. Der Karlsson konnte gut mit dem Beamerknopf umgehen. Auch hat er frei geredet ohne Unterlagen. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung. Man nahm ihm ohne Weiteres ab, dass er mit Herzblut dabei war. Leider bin ich zwischendurch eingenickt und habe daher nicht alles mitgekriegt. Am Ende saßen die beiden Hähne noch immer regungslos da, fast wie hypnotisiert. Das Turtelpärchen war weg. Wir andern haben applaudiert, was das Zeug hielt. Gepfiffen haben wir und getrampelt, nur „Zugabe‟ gerufen hat keiner. Der Karlsson hat wissen wollen, ob das Publikum noch Fragen habe, er würde sie gern beantworten. Neben mir hörte ich den Jack geräuschvoll einatmen. Als alles schwieg (ich habe extra lange die Luft angehalten), folgte der Dank und der Karlsson ist von der Bühne gegangen. Das macht man so als Profi, auch wenn es gar keine Bühne war und die Garderobe nur die Abstellkammer mit den Ketchup-Eimern und den Papierhandtüchern. Uns war das egal. Der Karlsson hatte Mut bewiesen, war in die Öffentlichkeit getreten, um der Welt zu zeigen, was sein Herz bewegt. Bravo! Und nun Schwamm drüber. Der gemütliche Teil konnte beginnen. 

Habt ihr's gewusst? Der Luke ist am 28. März 14 Jahre alt geworden. Am 1. April hatte der Jack Geburtstag. Er ist 11 geworden. Grund genug für eine ordentliche Sause, zumal wir ja sowieso gerade in einem Gasthaus weilten. Der Luke hatte alles organisiert. Die vielen leeren Stühle wurden vom Gastwirt und seinem Sohn rausgetragen. Bei der Gelegenheit sind auch die beiden Hähne aufgestanden und nach Hause gegangen. Ein Schild wurde an die Saaltür gehängt: „Geschlossene Gesellschaft‟. Tische wurden reingeschoben, eine Anlage aufgebaut, ich durfte mir im Schankraum Flaschen aussuchen für meine neusten Cocktailrezepte. Es war total schön, dass wir mal nicht mit anfassen mussten. Niemand brauchte einen Finger zu rühren. Dafür hatte der Luke gesorgt. Die Mädels machten sich auf der Toilette schnell noch frisch, während wir Jungs den Karlsson in Empfang nahmen, der draußen noch ein wenig gewartete hatte, ob doch noch jemand käme, um ein Autogramm zu erbitten. Mit Freude beobachteten wir, wie sich die Tische mit allerlei dampfenden Schalen und Schüsseln füllten. Platten mit Rohkost und Schnittchen waren auch dabei. Ich fing schon mal an, die ersten Cocktails zu mischen. Die Cora (wer sonst?) hatte sich einen „Swimmingpool‟ gewünscht.  Das ist was Türkisfarbenes mit Cocosraspeln. Die andern wollten erst was in den Magen kriegen. Überall hörte man es schlingen, mampfen und knuspern. Roastbeef war genug vorhanden, auch Schnitzel, Gulasch und Frikadellen. Kein Hund und kein Kater sollte zu kurz kommen. Aber auch die vegetarischen Platten aus Gemüsestäbchen, Pommes, Reis, Nudelsalat und kunstvoll geschnitzten Melonen und frischen Ananasscheiben verdienten Applaus. Der Luke hatte sich nicht lumpen lassen. 

Steak-Deko nennt der Karlsson das
 
 
Nach dem Essen folgte die Geschenkübergabe. Wir hatten zusammengelegt. Der Luke bekam von uns allen einen schwarzen Kaschmirschal mit dezent an einer Ende aufgesticktem Firmenlogo. Die Luna durfte ihn überreichen. Was sonst schenkt man einem Millionär, der sich alles selbst kaufen kann?
„Falls es abends kalt wird auf Bornholm‟, hat die Cora hinzugefügt.
Der Luke fährt nämlich im Mai mit seiner Mama und dem Lütten Bonaparte für zwei Wochen auf die Insel. Das ist zwar nicht Malibu und Baywatch lässt sich dort auch nicht machen, aber dennoch könnte es ja mal frisch werden auf der Terrasse, nicht wahr? Von wärmenden Strickpuschen hatten wir einstimmig abgesehen. Die fanden wir nicht repräsentativ genug.
 
Für den Jack hatten wir ebenfalls etwas Praktisches ausgesucht. Da er ja so gern Pizza isst und sich  bekanntlich voriges Jahr einen Eintrag in die Personalakte eingefangen hatte wegen unerlaubtem Ausleihens der Firmenlimousine zum Pizzaholen, wollten wir ihm den Genuss jetzt ganz gefahrlos zukommen lassen. Er erhielt einen Gutschein über 20 Pizzalieferungen nach Wahl. Der Überbringer war diesmal der Lütte Emil. Beide, der Luke wie der Jack, schauten ganz gerührt angesichts unserer herzlichen Gaben. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet, so geschmackvoll und individuell von uns bedacht zu werden.
„Danke, danke, danke‟, kam es im Duett aus ihren Kehlen.
Dann wurde die Torte reingetragen. Sie war dreistöckig und vollgesteckt mit Kerzen. Wenn ich richtig rechne, dürften es 25 gewesen sein. Wir sangen „Happy Birthday‟ und ließen die Geburtstagskinder hochleben. Anschließend musste der Kuchen rein in den Magen, egal wie, obwohl sich allerorts bereits Zeichen der Überfüllung bemerkbar machten. Das gehört sich so.
„Ich kann nicht mehr‟, hat die Fendy aufgegeben.
Ein Viertel der Torte haben wir immerhin geschafft. Dem Rest hat sich aufopferungsvoll der Lütte Bonaparte angenommen. Er lag unterm Tisch mit der Pfote in der Sahne und schlabberte beharrlich und diszipliniert. Am Ende war das Kuchentablett strahlend sauber wie frisch aus der Geschirrspülmaschine. Ein langes Rülpsen durchdrang das Beatles-Pottbourri, das inzwischen aus der Anlage dröhnte.

Es dauerte nicht lange und die Tanzfläche füllte sich mit zappelnden Gestalten. Bewegung tut gut nach dem Essen. Wir haben ja schon Partys erlebt, wo tanzen als Hochleistungssport abgelehnt wurde. Vorher weiß niemand, in welche Richtung der Zeiger ausschlagen wird. Diesmal behielten die Tanzmuffel eindeutig nicht die Oberhand.

Disco-Licht gab's natürlich auch

 
Ich habe mich wieder der Cocktail-Produktion gewidmet. Mein Sortiment kann sich inzwischen sehen lassen, viele neue Rezepte waren dabei. Im Nu zeigten die ersten Kunden die bekannten Auswirkungen, kicherten viel oder lagen sich gerührt in den Pfoten. Gegen Mitternacht, als das aufgewärmte Büfett reingeschoben wurde, waren nur noch der Luke, die Luna und der Lütte Bonaparte in der Lage, beim Tanzen ihre Gliedmaßen in der vorgesehenen Reihenfolge einzusetzen. Ach ja, und die Cora natürlich. Die kann ja nichts umhauen. Alle andern lagerten auf dem Boden, teils mit geschlossenen Augen, und warteten, dass das Bett vorbeigeschwebt käme und sie einsteigen könnten. Ich rechne mir diesen Zustand als Erfolg an, denn es bedeutet, dass meine Cocktails als schmackhaft empfunden wurden, sonst hätte sie ja niemand getrunken. Sogar der Lütte Bonaparte und der Emil schnarchten ihren Rausch aus. Es war, soviel ich weiß, ihr erster. Sie sind jetzt alt genug, um die Folgen selbst zu tragen. Von keinem von uns wurde ihnen eine Apfelschorle hingeschoben so wie früher, nicht mal von ihrer Tante Polly, die sonst immer sofort zur Stelle ist, um sich behütend vor ihre Jungs zu werfen.
„Hütehund bin ich selber‟, hat der Lütte Bonaparte klargestellt.
Er lallte stark.

In der Nacht kriegte der eine das Kotzen und der andere lag bäuchlings in der Dusche, weil ihm so warm warm. Aha, erste Lektion gelernt. Glücklicherweise hatten wir es nicht weit, denn überm Tanzsaal befanden sich Fremdenzimmer. Eins hatte der Luke für uns reserviert. Kreuz und quer lagen wir auf dem Bett. Ich weiß nur noch, dass mir die ganze Zeit der Chor von „We will, we will rock you‟ in den Ohren dröhnte, als sei die Anlage noch immer aufgedreht. Dabei war es ganz still im Zimmer, abgesehen von Coras Schnarchen und Eriks Stöhnen, dem die frittierten Brokkoliknollen schwer im Magen lagen. An das Fettige hatte er sich noch immer nicht gewöhnt. Getrunken hatte er, glaube ich, nur Wasser, trotzdem machte er einen schwer gezeichneten Eindruck. Ich fand das okay, schließlich kann man für Lukes und Jacks Ehrentage und die tolle Bewirtung ruhig mal ein Opfer bringen. Die Party war wirklich super gelungen.

Übrigens, Karlssons Vortragstournee über Land habe ich seitdem nicht mehr beobachtet. Er erzählt nichts davon. Allerdings ist es auch noch nicht lange her seit dem Auftakt in Plön. Von der Fendy weiß ich aber, dass sie ihn gelegentlich berät. Am Telefon ist von „Content‟ die Rede, von „Self Marketing‟ und von „Main Character‟. Da sie ununterbrochen quasselt, gehe ich davon aus, dass diese Ratschläge am andern Ende beim Karlsson ungehört durchs Gehirn rasseln. Na ja, ihre Prioritäten passen auch nicht wirklich zusammen. Der Karlsson ist alt und klassisch unterwegs, die Fendy jung und medienverseucht. Ich hoffe nur, dass er jetzt seine Einnahmen (woher sie auch kommen mögen) nicht spart, um sich einen eigenen Skylark zuzulegen. Das wäre ja noch schöner. Unsere Reisekasse kann sich derlei Eskapaden nicht leisten. 
 
An Fendys Engagement sieht man, dass sie noch immer voll in ihrem Influencer-Dasein aufgeht. Sie postet noch immer ununterbrochen Kosmetik-Hauls, Beauty-Tipps und bunte Nagellack-Kreationen. Früher habe ich gedacht, weil sie nicht mehr singt, müsste ich dankbar auf den Knien rutschen, doch die Alternative ist auch nicht viel besser. Im Wohnzimmer steht neuerdings ein Scheinwerfer, der problemlos jedes Stadion ausleuchtet. Der Mörßel muss regelmäßig antreten, die Kamera bedienen, den Ton kontrollieren oder helfen, die besten Fotos herauszusuchen. Über die Zahl ihrer Follower bin ich nicht im Bilde, weil es mich nicht interessiert, aber neulich habe ich aufgeschnappt, dass diverse Sponsoren an die Fendy herangetreten seien. Einer vertreibt Schlankheitspillen für „curvy‟ Puten und Gänse. Oh, da war aber was los! Ob die etwa glaubten, sie sei dick, hat die Fendy geschrien. Sie konnte sich gar nicht beruhigen. Da war die Bodymilch schon eher nach ihrem Geschmack. Den ganzen Tag habe ich still in der Ecke gesessen und darauf gewartet, dass sie sich das Zeug vor laufender Kamera in die Federn schmiert, aber sie hat nur die Flasche hochgehalten und triefende Hymnen gesülzt, wie sehr das Zeug ihr geholfen habe, ihr megarosige Babyhaut am Bauch zu machen.
„Ausziehen! Ausziehen!‟, habe ich gerufen.
Da hat sie mich rausgeschmissen.

Die Fendy hat sogar die Cora überreden wollen, ihrerseits einen eigenen Kanal aufzumachen. Dort könne sie ja ihre tollen Fotografien präsentieren. Oder Back- und Kochrezepte. Doch die Cora hat abgelehnt. Sie wolle alles lieber als Hobby betreiben, außerdem bliebe ihr sonst zu wenig Zeit, um ihrem ehrenamtlichen Auftrag im Duisburger Zoo nachzukommen. Bekanntlich besucht sie dort einsame Häftlinge und redet ihnen gut zu. Seitdem sind die Anträge auf vorzeitige Entlassung sprunghaft in die Höhe geschnellt. 
 
Dem Paule geht es ebenfalls gut. Von einem Aufenthalt im Knallbirnenheim ist momentan nicht die Rede. Augenblicklich spart er für eine Reise nach Neuseeland. Dort leben so niedliche Kiwis, schwärmt er. Damit sind natürlich die Vögel gemeint, nicht die Früchte. Sie seien so hübsch puschelig am Körper und der lange dünne Schnabel sei absolut sexy. Vielleicht solle er auch mal was mit „influenzen‟ machen, damit Geld reinkäme. Was meinte ich? Er könne von seinen Eroberungen berichten: exklusiv, authentisch und lebensnah. So was gebe es bestimmt noch nicht im Netz. Oder er mache einen Beratungskanal auf: Wie kriege ich möglichst viele Hennen rum? Vielleicht müsse er mal mit der Fendy reden, was man dazu braucht. Nur zu viel kosten sollte es nicht und mehr als eine Viertelstunde pro Tag investieren wolle er auf gar keinen Fall. Oh Mann, mir fiel am Telefon absolut nichts ein, was ich hätte unverfänglich antworten können. Ich bin so was von froh, dass nicht auch noch der Engelbert Influencer werden will. Man stelle sich vor: der Elektrokanal für Wasservögel. Vorher und nachher. Da würde man ja glatt verklagt werden wegen Mitwisserschaft und unterlassener Hilfeleistung, so lange es noch möglich gewesen wäre. 

Umso erfrischender ist es, dass man rund um die Firma „Hopp & Ex‟ so gar nichts von albernen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken hört. Dort geht man still und fleißig seinen gottgegebenen Aufgaben nach, so wie es sich gehört. Der Luke fährt noch immer täglich persönlich zur Kundschaft raus, um Nebel zu sprühen oder Köder auszulegen, und interessiert sich nebenbei, wie schon erwähnt, für die Lebensrettung am Strand von Malibu. Für ihn ist das Entspannung. Der Jack leitet nach wie vor die Filiale auf dem Pferdehof. Seinen Status als „Very important Mitarbeiter‟ weiß er bis heute zu verteidigen, was allerdings auch nicht sonderlich schwer ist bei nur einem weiteren Kollegen. Soviel ich weiß, hegt der Lütte Emil keinerlei Ambitionen auf unorthodoxe Karrierspünge und fällt daher als Konkurrent aus. Von ihm weiß man wenig. Vielleicht ist die Polly besser informiert darüber, was der Lütte macht, wünscht und plant, doch verraten tut sie nichts. Da kann man noch so unschuldig nachbohren, aus ihrem Mund kommt kein verräterisches Wort. Ich glaube, in der Firma ist der Lütte Emil für die Abrechnungen zuständig. Buchhaltung nennt man das ja wohl. Die Pferdedamen (seit Marinas Tod nur noch zu dritt) sind überhaupt nicht im Familienunternehmen eingebunden. Spooky reitet immerhin noch, Abbatini und Lütti stehen nur dekorativ herum. Ich wundere mich, warum die Fendy hier noch nicht aktiv geworden ist. Einen Pferdekanal auf Instagram mit Bildern von Blumengirlanden in der Mähne und mit Sektglas in der Vorderhufe vor stylisch einfärbten Heuballen, in denen das Schild „Dubai – 6.5000 Kilometer‟ steckt, wird bestimmt die Zahl der Aufrufe durch die Decke treiben. Wie ich die Fendy kenne, würde sie höchstpersönlich zum Pferdehof eilen, um die „Location‟ mit Parfüm zu besprengen, damit es im Video auch wirklich stilecht duftet. Anschließend könnten die drei Mädels Werbung für Coaching-Abos, Haferflocken oder Malzbier machen. Oh-Gott-oh-Gott, nur keine schlafenden Hunde wecken.

Ich muss mich korrigieren. Dass es gar nichts Neues gäbe bei „Hopp & Ex‟, ist nicht ganz korrekt. Wir haben ja noch den Lütten Bonaparte. Seit er seine Lehre verkürzt hat, ist er als Fachkraft am Firmensitz eingestellt und zuständig für … ja, für was eigentlich? Neulich beim Gruppenchat per Videokonferenz hat er uns alle überrascht mit der Nachricht, dass er künftig nicht mehr als Lebensmittelbeschaffer auf unseren Reisen zur Verfügung stehe.
„Wie bitte?‟
„Ich mach nicht mehr mit bei eurem doofen Catering. Sucht euch einen anderen Deppen.‟

Das war ja ein starkes Stück. Ich war noch am Nachdenken, ob ich mich vielleicht verhört hätte, als der Karlsson sich meldete und zu Protokoll gab, dass man erlernte Fähigkeiten nicht so einfach in die Tonne tritt, und was wohl der Pit dazu sagen würde, wenn ihm sein Schüler so einfach die lange Nase zeigt. Nö, kam es als Antwort, das sehe der Karlsson ganz und gar falsch. Was der Pit ihm beigebracht habe, würde er ja nicht zurückweisen, nur in Zukunft anders anwenden. Außerdem könne jeder sicher sein, dass er das Andenken an seinen lieben Meister und väterlichen Freund für immer in seinem Herzen trage, das sei ja wohl klar wie Tortenguss. Trotzdem habe er als freier Hund wie jede andere Kreatur das Recht auf eine eigene Karriere. Catering sei zufällig nicht darunter.

Hier mischte sich die Luna ein. Was es denn sei, was er künftig stattdessen zu machen gedenke, wollte sie wissen.
„Ich geh in die Politik.‟
Schweigen.
Aha.
Nun … könne er das vielleicht etwas genauer erläutern?

Ja, gern. Man merkte dem Lütten Bonaparte an, wie es ihn freute, uns darüber aufzuklären. Wir erfuhren, dass er sich als Kandidat für die kommende Wahl zum Tierparlament angemeldet hat, vorerst noch lokal, also in Schleswig-Holstein, und nebenberuflich, um zu testen, wie es läuft. Das sei sicherer, als gleich alles aufzugeben. Später könne er dann ja immer noch hauptberuflich auf Bundesebene einsteigen. Hier, das Wahlplakat sei auch schon fertig. Der Emil hatte es im Bildprogramm auf seinem PC gestaltet.
„Wie gefällt es euch?‟

Jooo.
Tja.
„Ist PUT die Partei, für die du kandidierst? Noch nie gehört. Wie viele Mitglieder hat sie denn?‟
Diesmal war es die Polly, die fragte.
„Meine Partei hat ein Mitglied. Mich. Ich bin Gründer, Vorsitzender und Kassenwart in einem. Wenn jemand beitreten möchte, lasse ich gern ein Anmeldeformular da.‟
Die Fendy bemängelte das etwas angestrengte Aussehen vom Kandidaten. Seiner Mimik fehle – wenn sie es bei allem Respekt so ausdrücken dürfe – die gewisse Leichtigkeit, die heutzutage notwendig sei, um Souveränität zu vermitteln und Wähler anzusprechen. Ja, genau, fügte der Karlsson hinzu. Als Slogan sei vielleicht auch eine weniger hundelastige Aussage vorteilhafter, da sich PUT ja, wie es den Anschein habe, an alle Tiere wende, nicht nur an Hunde, was man ja dann auch sprachlich unterstreichen müsse, da sich beispielsweise Schnecken, Wühlmäuse oder Karpfen eher weniger für den Alltag an Leinen interessierten, oder sehe er das falsch?

Nein, absolut nicht, das seien ganz wichtige Einwände. Der Jungpolitiker schien dankbar zu sein, dass wir ihm so freundschaftliches Feedback gaben. Da müsse er noch mal in sich gehen. Er würde sich wieder melden, sobald der Emil mit dem zweiten Entwurf fertig sei.

Zwei Tage später war es so weit.
„Na, besser jetzt?‟


 
Ja, doch, absolut. Das Foto und das Farbkonzept strahlten jetzt viel mehr Souveränität aus – und Kompetenz. Da fühle man sich gleich ganz anders abgeholt. Nur der Slogan …
„Ich weiß ja nicht.‟
Dem Karlsson schien noch immer etwas zu fehlen. Wen der Micky Bonaparte denn mit den Dillgurken ansprechen wolle? Seiner bescheidenen Meinung nach werde hier noch immer zu eng gearbeitet. Besser seien allgemeine Aussagen, mit denen sich jeder identifizieren könne. In Dillgurken sähen sich doch allenfalls nur Schildkröten oder heimisches Kleinvieh angesprochen. Schade um die verschenkten Stimmen. Ein Slogan müsse außerdem das Parteiprogramm widerspiegeln. Apropos, wie stehe es überhaupt damit bei PUT?
„Mich wählen. Dann kümmere ich mich, wenn Zeit bleibt.‟
„Ist das alles, was du politisch anbietest?‟
„Ja. Reicht das nicht?‟
Man konnte hören, wie jemand tief Luft holte. Ich glaube, es war die Luna. Aber es folgte nichts, wahrscheinlich weil unser Nachwuchskandidat schon genug Kritik abgekommen hatte. Jetzt musste er sich erst mal um das Plakat Version 3 kümmern.

Als er es uns vorstellte, war ich überrascht. Jaaaa, so wurde ein Schuh daraus.



Auch der Karlsson und die andern zeigten sich angetan. Bravo! Gut gemacht. Ansprechendes Foto, das Vertrauen weckt, schöne Farben, überzeugende Aussagen, die keinen kaltlassen, und – lese man das richtig? – der Parteiname wurde geändert. Sicher die beste Entscheidung ever, denn als Kandidat sollte man bei seinen Leisten bleiben und nicht Politik für Leute machen wollen, von denen man nichts versteht. Und da ein Parteiprogramm sowieso nicht existiert, fiele der Wechsel bestimmt niemandem weiter auf. Sehr schön, alles richtig gemacht. Der Lütte Bonaparte strahle vor Glück, dass wir uns so zufrieden mit ihm zeigten.

Besagte Wahl ist im Juni. Im Mai fährt der Micky Bonaparte, wie bereits erwähnt, zwei Wochen mit seiner Mama und dem Luke nach Bornholm. Das bedeutet, dass vorher alles über die Bühne gegangen sein muss. Natürlich haben wir unsere Hilfe zugesagt. Wozu hat man schließlich Freunde? Die Fendy kümmert sich um das Drucken der Wahlplakate und verlinkt den Micky unter ihren Shampoo-Vorschlägen. Vom Erik kommt die Zusage, mit dem Pött-Pött-Pött die Plakate auszufahren, allerdings nur sonntags, sonst habe er keine Zeit. Der Karlsson und der Mörßel kommen mit und hängen die Plakate auf. Ich lasse Sticker mit Mickys Foto prägen und versende sie an Tierheime und Hundeschulen. Die Polly sucht mir dafür die Adressen raus und frankiert die Umschläge. Die Luna organisiert Wahlstände auf Marktplätzen und Hundewiesen, wo die Cora mit mir und der Fendy im Wechsel mit dem Jack, der Polly und dem Emil stehen wird, um Flyer zu verteilen und Stimmung zu machen. Mir ist allerdings ein bisschen mulmig bei der Vorstellung. Was ist, wenn jemand mit uns über die Parteipolitik diskutieren möchte? Ach was, behauptet die Fendy, Show ist alles. Nie was anmerken lassen, immer nett lächeln und nie beim Labern stocken, da passiere einem nichts. Mir kommt allmählich der Verdacht, dass Beauty-Videos im Internet doch mehr mit der Realität zu tun haben könnten als angenommen.

Mit Mickys Wahlplakaten kriegt die öde Landstraße gleich viel mehr Pep

 
Leider fällt alles ein wenig umständlich aus, da wir ja auf Schleswig-Holstein beschränkt sind. Dort müssen wir ja immer erst hinfahren. Wir dürfen beim Karlsson, auf dem Ponyhof oder in der Parteizentrale übernachten. Der Kandidat selbst möchte im Land herumreisen und sich persönlich dem Volk präsentieren. Wahltournee nennt sich das. Es ist noch nicht entschieden, wer ihn dabei begleiten darf. Das Interesse ist groß, denn der Luke stellt die Firmenlimousine zur Verfügung, und das wird sicher ein angenehmeres Arbeiten, als auf zugigen Gehwegen zu stehen und vorbeikommenden Hunden Wahlzettel in die Schnauze zu schieben. Der Micky ist sehr zufrieden, denn seiner Meinung nach zeigt ein fettes Auto, dass man auf dem richtigen Weg sei. Nur Anfänger kämen mit dem Bus zur Wahlpromo.

Die Cora nennt den Lütten Bonaparte neuerdings gern Puh.
„Na, Puh? Wie geht’s?‟, erkundigt sie sich bei ihm.
Einmal hat sie ihn darauf angesprochen, was er denn neulich bei unserem Videochat damit gemeint habe, dass er die Fertigkeiten, die er vom Pit gelernt hat, nun anderweitig einsetzen wolle. Aber doch wohl nicht in seiner angestrebten Karriere als Politiker, oder habe sie was falsch verstanden?
„Doch, warum nicht?‟, lautete die offenherzige Antwort. „Der Pit hat mir beigebracht, in jeder Lage kostenlos was Essbares zu beschaffen. Dazu muss man flink sein, seine Umgebung genau beobachten, andere ablenken und dann im richtigen Moment zuschlagen. So was kann man gut gebrauchen bei Wahlreden und natürlich später im Parlament. Ich bin bestens vorbereitet.‟
Uff. Mehr fällt mir im Augenblick nicht dazu ein. Sonst lässt mich mein Gehirn selten in Stich.

Um zum Anfang zurückzukehren: Ich glaube, man erkennt jetzt mehr als deutlich, dass wir in den letzten Wochen und Monaten gut zu tun hatten. Es mag still um uns gewesen sein, aber inaktiv waren wir deswegen noch lange nicht. Mickys Kandidatur nimmt uns momentan vollständig in Anspruch. Unsere Parole lautet „Stress, Stress, Stress.‟ Dem ist dann leider auch ein wichtiger Termin zum Opfer gefallen. Ach, was rede ich? DER wichtigste Termin im ganzen Blogkalender überhaupt. Hat es jemand bemerkt? Am 16. April hatte ich Geburtstag. Ich bin vier Jahre alt geworden. Die Party fiel natürlich aus, aber das macht nichts. Für ein höheres Ziel steckt man gern mal zurück. Und jetzt steht Ostern vor der Tür. Da werden wir mal nicht die schleswig-holsteinischen Straßen mit Wahlplakaten vollhängen, sondern daheim bleiben, die Füße hochlegen, eine entspannende Melodie genießen, an einem leckeren Getränk nippen und fröhlich ins Schoko-Ei beißen. Das wünsche ich euch ebenfalls. Schöne Feiertage. Habt Freude im Herzen.


Fotos: Cora und Paule: © G. H.
          Karlsson und Polly:  © Terrierhausen
          Micky, Luke, Jack, Emil, Lütti, Spooky: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Luna und Erik: © K. R.
 
© Boff

Kommentare

  1. Hallo Reise-Gruppe oder soll ich sagen Marketing-Gruppe, Party-Gruppe, Vortragsreisen-Gruppe oder Politik-Gruppe?! Da war wirklich viel los in letzter Zeit. Diese Vortragsreisen über den 53er Buick Skylark laufen großartig und machen mir viel Spaß, ich liebe den Erfolg. Daher arbeite ich gerade einen neuen Vortrag aus - über mein liebstes Boot - die RIVA!!! Das schönste Motorboot der Welt und aller Epochen.
    Dass der große Bonaparte in die Politik geht, kommt mir sehr gelegen. Wir brauchen dringend politischen Rückhalt für neue radikale Tierbefreiungen. Welpentransporte, die zu illegalen Hundemärkten führen, nur so als Beispiel.
    Herzliche Grüße vom Dr. Karlsson (Gutsherr)

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  2. Oh, das freut mich, dass deine Skylark-Vorträge gut laufen. Der Luke hat mir erzählt, dass er von einem Kunden weiß, dass bei denen im Gemeindesaal ein "freundlicher Opi" was über "alte Autoteile" referiert haben soll. Warst du das? Mit der MILVA wünsche ich viel Erfolg. Gibt es vielleicht auch noch die schönste Kolbenpumpe der Welt? Ich frag ja nur, weil unsere Reisekasse Flugplätze in der 1. Klasse gut gebrauchen kann.
    Mit dem Bonaparte in der Politik, da freu dich man nicht zu früh. Erst mal muss er ja gewählt werden und dann bin ich mir nicht so sicher, ob er den Beruf richtig versteht. Ich glaube eher, er denkt, das sei so was wie Playboy, nur ohne Damen, aber mit dem Sektglas auf Partys rumstehen und dummes Zeug labern. Na ja, wenn man das Sektglas und die Party wegkässt ...

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  3. Nö,nö, ich verstehe das schon alles richtig und denke das ich auf einem guten Weg bin die Wahl zu gewinnen. Woher ich das weiß? Naja, es wurde ja gerätselt was der Emil so macht.
    Der Emil hält seine Lauscher auf und kann mir dann sofort die Stimmung meiner Wähler wieder geben. Frei nach dem Motto: Was ist denen wichtig, was erwarten die Wähler von mir. Und da ich das weiss, kann ich mich gut drauf einstellen.
    Wichtigster Punkt ist natürlich die Ausbeutung der Tiere.
    Micky

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