Monaco

Unser Ziel. Monte Carlo, wir kommen

Der Erik hatte die Luna zum Flughafen zu uns nach Hannover gebracht. Er wollte seiner Liebsten eine schöne Reise wünschen. Vielleicht wollte er aber auch nur sein Geld verabschieden, denn er hatte die Reise ja bezahlt und die Luna hatte was Hübsches für uns rausgesucht: eine Woche Ferien mit Städtetour. Es war das erste Mal, dass der Erik finanziell für uns einsprang. Seinem Gesicht konnte ich nicht entnehmen, ob er sehr darunter litt oder ob es ihm sogar Freude bereitete, uns so zu beschenken. Ich glaube aber eher nicht. Der Erik gehört zu den Geschäftsmännern, die sogar noch den Staub aus der Geldkassette zusammenfegen, um ja nichts zu vergeuden.

Aber auch in anderer Hinsicht war diese Reise ein Novum. Zum ersten Mal fuhren wir ohne den Pit. Daher hatten wir uns in der Flughalle zu einem Kreis aufgestellt und eine Schweigeminute eingelegt. Wir senkten die Köpfe. Ich musste gegen die Tränen kämpfen, als ich an unseren Freund dachte, wie er da immer gestanden hatte mit seiner komischen Provianttüte und meist schon irgendwas mampfte, obwohl wir gerade vom Essen gekommen waren. Ich kriege dieses Bild einfach nicht aus meinem Kopf heraus. Es fühlte sich falsch an, dass er nicht mehr bei uns war.

Dafür hechelte uns jetzt der Lütte Bonaparte erwartungsvoll an.
„Ich hoffe, du weißt, was man von dir erwartet‟, habe ich ihn ermahnt.
Er trug eine rechteckige Bento Box stramm unterm Hals, so wie es Bernhardiner tun, wenn man sich das Ding als Schnapsfässchen vorstellt. Die Box war lila und trug neben einer kleinen gelben Ente die Aufschrift „Micky‟. Wir glotzen ungläubig.
„Was ist?‟, hat der Lütte gefragt, nachdem er sich offensichtlich minutenlang über uns gewundert hatte.
„Sagen wir's mal so‟, wusste die Cora zu antworten. „Du bist jetzt verantwortlich fürs Catering, richtig? Du nimmst jetzt den Posten vom Pit ein. Der Pit war Vollprofi. Er hat die Grauzonen des juristisch Handelns perfekt auszufüllen gewusst. Man hat ihn nie überführt. Wenn du also jetzt mit diesem Futtertresor da ankommst, auf dem groß und breit dein Name steht, dann wäre das vielleicht ein klitzeklein wenig … unklug.‟
Dem Lütten rutschte augenblicklich die fröhlich wippende Zunge ins Maul zurück. Daran hatte er nicht gedacht.
„Das ist doch aber ein Geschenk von meiner Mama!‟, kreischte er auf.
„Ja, aber die wird ja wohl hoffentlich nicht wissen, wofür es gebraucht wird‟, habe ich gekontert.

Jetzt mischte sich der Mörßel ein. Ach ja, richtig, den gab es ja auch noch. Er hatte seine Fendy zum Flughafen begleitet, um ihr all die Küsse auf einmal zu verabreichen, die er wegen der Trennung in der kommenden Woche nicht loswerden könnte, also so ungefähr 10.000 Stück. Am liebsten hätte ich ihn aus dem Taxi geworfen. Gut nur, dass es von vornherein nicht in Frage kam, dass er mitfuhr. Für überflüssigen Ballast war kein Etat eingeplant in Eriks Geschenk. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.

Aber was hatte er überhaupt hier herumzuquaken? Wichtigtuerisch richtete sich der Mörßel auf. Dadurch wurde die Fendy unter seinem Flügel noch kleiner als sowieso schon.
„Wenn ich auch mal was sagen darf‟, hat er sich angeschleimt. „Ich finde die gelbe Ente auf der Box sehr ansprechend.‟
„Siehste!‟, hat der Lütte triumphiert.
„Nix da‟, ist die Luna dazwischengegangen. „Solange ich eine Reise organisiere unter meinem Firmennamen, kommen mir schwammige Geschäfte nicht ins Haus. Die Bento Box bleibt hier!‟
Um es vorweg zu nehmen: Die Fendy hat im Flugzeug mit der Nagelpfeile das „Micky‟ rausgekratzt. Auf die zerschabte Stelle wurde in großzügigen Strichen lila Nagellack aufgetragen. Damit waren alle Ansprüche gestillt. Dass jetzt die gelbe Ente exklusiv und ohne störendes Beiwerk das Jetset-Mekka Monte Carlo besuchen durfte, hat sie dem Mörßel später bei erster Gelegenheit (per Münztelefon) mitgeteilt. Seit sie diesen Kerl kennt, ist sie noch wunderlicher geworden.

Ungewohnt war auch, dass die Polly mitfuhr. Eigentlich sollte sie ja zu Hause bleiben, damit sich der Lütte Bonaparte ungestört entwickeln könnte, aber da die Polly ja krank ist und die Reise sehr schöne Elemente der Entspannung enthielt, haben wir gesagt, dass sie natürlich mitkommen wird. Trotzdem hatte die Cora vorsorglich angerufen und sie ermahnt, dass sie den Lütten auf keinen Fall verzärteln darf. Es wird seine Jungfernreise werden und Jungfrau soll er unbedingt bleiben. Nee, halt, das war anders. Es wird seine Jungfernreise werden und er soll sich dort bewähren, zu einem starken, kompetenten Caterer heranwachsen, ohne tantigen Zuckerguss. Ja, so ist es richtig wiedergegeben. Die Polly hat zugesagt, dass sie sich total zurückhalten werde. Die Zukunft des kleinen Bubs liege ihr sehr am Herzen.

Was den Karlsson betrifft, so hatte er eine Überraschung parat. Auch das war neu. Uns war ja gesagt worden, dass er inzwischen altersbedingt taub geworden sei. Um mich dennoch mit ihm verständigen zu können, hatte ich extra mit den übriggebliebenen Weihnachtsservietten vom vorigen Jahr das Flaggenalphabet geübt. Dazu hebt und senkt man die Dinger in vorgeschriebenen Figuren. Das hat dann was zu bedeuten.
„Was fuchtelst du hier so herum?‟, hat mich die Fendy gefragt.
Natürlich fehlte ihr jegliche Bildung, um die Situation richtig einschätzen zu können. Dass ich gerade „Du dumme Nuss‟ gewedelt hatte, war ihr selbstverständlich entgangen. Hihihi.

Mit andern Worten, ich war bestens vorbereitet, um mit dem Karlsson in Kommunikation zu treten. Unsere Smartphones hatten wir ja nicht dabei zum Hinzeigen von Text. Gerade wollte ich „Hallo‟ wedeln mit der Bordkarte in der linken Kralle, als er laut und deutlich verkündete:
„Lass stecken, Junge. Ich hör dich auch so.‟
Wat?
„Ja, ich kann ganz gut hören. Nicht so gut wie früher, aber gut genug, um alles mitzukriegen.‟
Jetzt glotze auch die Cora überrascht.
„Und warum heißt es dann, du seist taub?‟, wollte sie wissen.
„Damit ich meine Ruhe habe‟, kam als Antwort. „Zu Hause ist es von Vorteil, wenn man nicht alles hört, den Befehl, die Obstwiese aufräumen zum Beispiel oder die Wäsche aus der Maschine zu räumen. Bin ich blöd, da aufzuspringen? Ab einem gewissen Alter kann man das seinen Leuten überzeugend verkaufen. Aber hier bei euch muss ich mich ja nicht verstellen. Alles ist gut.‟
Das war ja 'n Ding. Dieses Schlitzohr. Aber um so besser für uns. So brauchten wir uns nicht so anzustrengen. Fast hätte ich vor Freude meine Bordkarte weggeschmissen. Gerade noch hat sie der Lütte aus der Luft schnappen können. Seine Reflexe zumindest sind hervorragend.

Also gut, wir standen auf dem Flughafen und waren im Begriff, in den Flieger zu steigen. Nach Marseille sollte es gehen. Dort würden wir ein Schiff besteigen, das uns in vier Tagen die Côte d’Azur* entlang nach Monaco bringen würde. Dort hätten wir weitere drei Tage Zeit, um uns in der Stadt umzuschauen, bevor es zurück nach Hannover ginge. Letzte Umarmungen und Küsse wurden verteilt, dann passierten wir die Sperre. Ich durfte mich wieder mit der Fendy auf Karlssons Nacken niederlassen. Der Erik würde den Mörßel im Pött-pött-pött mitnehmen und an seinem Teich absetzen. Wir drehten uns noch mal um und winkten. Der Fendy liefen Tränen ins Wangengefieder.
„Das wird sich geben‟, hörte ich die Luna der Cora zuflüstern. „Als ich noch nicht verheiratet war, war ich genauso.‟

An Bord hat sich der Lütte Bonaparte gut gehalten. Das muss man ihm lassen. Ich hatte ja Bedenken, dass ihm schlecht werden könnte oder dass er sich daneben benimmt, die Butterpäckchen durch die Gegend wirft oder den Stewart nach Erdbeermilch fragt. Nichts dergleichen ist passiert. Er hat sich artig angeschnallt, interessiert den Sicherheitsanweisungen gelauscht und sich später von der Polly mit Schokopudding füttern lassen. Die Luna hielt unterdessen ihre bordeuxrote College-Tasche auf dem Schoß. Das war ein wenig hinderlich im Platz. Wozu schleppte sie das Ding überhaupt noch mit? Sie war doch gar keine Studentin mehr, außerdem im Urlaub.
„Liebgewonnene Gewohnheit‟, meinte sie. „Ich habe dort meine Erfrischungstücher drin.‟

 
Marseille: Ob die wohl auch mit den Yachten zum Einkaufen fuhren??

In Marseille sollte es gleich weiter aufs Schiff gehen. Für eine Sightseeingtour durch die Stadt blieb leider keine Zeit. Pollys Kühlboxen mit den Leberwursttabletten und den andern Medikamenten hatten wir mit dem Flieger vorausgeschickt. Alles war schon an Bord geschafft worden. Wir brauchten nur noch unsere Rucksäcke aufzuschnallen. Im Yachthafen lagen viele Boote, eins schicker als das andere. Wir wussten nur, dass es sich bei unserem Gefährt ebenfalls um ein Segelschiff handelte. Die Fendy und die Polly spielten raten, welche der Luxusjollen die Luna wohl für uns ausgesucht hatte. Sie schauten irritiert, als sie korrigiert wurden.
„Nee, Leute‟, hat die Luna gesagt. „Unser Schiff liegt gaaaanz dahinten. Umme Ecke. Kann man von hier aus nicht sehen. Aber ich zeig euch schon mal ein Foto.‟
Wir stecken die Köpfe zusammen.
Waaas? DAS sollte unsere Unterkunft sein? Unser Hotel für vier Tage? Das war ja wohl 'n Scherz. Oder etwa nicht?


Kriegt mal wohl nur unter der Hand
  
 

„Da geh ich nicht drauf!‟, hat die Fendy sofort verkündet.
Der war das zu primitiv. Auf Piratengaleere hatte sie keine Lust.
„Ich ruder für dich mit, wenn's sein muss.‟
Dafür hat der Lütte von der Fendy und von der Polly (die alles gut findet, was der Junge von sich gibt) einen verliebten Blick erhalten. Zugegeben, ich hatte mich auch geistig auf eine andere Art der Fortbewegung eingestellt, aber warum nicht? Je länger ich darüber nachdachte – mal was anderes. Es könnte durchaus spannend werden, auf so einem alten Kahn zu reisen. Der Karlsson nickte zustimmend und die Cora ist sowieso unternehmungslustig; die hat mit so was wenig Probleme, solange es zwischendurch einen ordentlichen Cocktail gibt.
„Also gut, dann folgt mir‟, kam die Aufforderung von der Luna. „Ich wusste doch, dass ich mich in euch nicht getäuscht hatte.‟

Wir latschten einmal den Pier entlang. Die Fendy neben mir in Karlssons Nackengekräusel schnaubte vor Wut. Das Sprechen hatte sie eingestellt. Als wir am Ende des Yachthafens angekommen waren, zeigte die Luna auf einen imposanten Dreimaster. Er lag majestätisch im Wasser, die weißen Segel strahlten rein und energiestrotzend im Sonnenschein. Das Schiff war so groß, dass es mehrere Parkbuchten in Anspruch nahm. Von Piratengaleere keine Spur. 
 

Unser richtiges Schiff. Für eine Nahaufnahme passte es nicht aufs Bild
 
 
„Du hast uns verarscht, Luna, nicht wahr?‟, habe ich gefragt.
„Jupp‟, kam als Antwort.
Fröhlich hoppelte sie (mit der College-Tasche auf dem Buckel) den breiten Steg zum Schiff hinauf. Oben wartete schon ein schicker Stewart, um uns zu begrüßen.
„Bonjour‟, sagte er. „Sche swie Schohn-Schack.‟
Ach ja, richtig, hier sprach man ja Französisch.
„Merci‟, habe ich geantwortet. „Sche swie Boff. Und issie se sohnt la Corá, la Lüná, la Polly, la Fendy, le Karlsohng und le Petite Bonaparte.‟
Tja, liebe Leute, so bewegt man sich gekonnt auf dem internationalen Parkett. Die Cora schüttelte den Kopf.

Sofort wurden wir nach unten in die Kabine geführt. Okay, es war ein Schiff und daher im Platz etwas eingeschränkt, aber unsere Kabine war hell und freundlich und ausreichend für uns alle, sogar mit Doppelliege und Kleiderschrank. Unterm Bett lagerten schon Pollys Boxen, vollzählig. Wir mussten nur noch regelmäßig die Akkus laden.
„Sehr schön‟, hat sich der Karlsson umgeschaut. „Ich schlafe unten. Wehe, es spuckt jemand auf mich runter.‟
Je mehr die Fendy zu kapieren begann, dass die Piratengaleere nie existiert hatte, desto nachhaltiger kehrte ihre Laune zurück. Sie schob ihren Kosmetikbeutel ins untere Fach des Kleiderschranks. Da niemand von uns Schuhe dabei hatte, die die bodennahe Position eher verdient hätten, beschwerte sich niemand. Ich dachte gerade darüber nach, ob ich nach oben gehen und den Steuermann fragen sollte, ob ich bei den Seilen und Masten aushelfen könnte (immerhin bin ich als Vogel schwindelfrei und komme nach ganz oben), da wurden wir aus einem Lautsprecher angequakt: alles an Deck kommen – Rettungsübung.
„Auch das noch‟, meckerte die Fendy, die sich gerade auf dem Waschbecken im Bad die Augenbrauen nachziehen wollte. 

 
Etwas rustikal, aber bequem


Oben lernten wir die andern Passagiere kennen. Viele waren es nicht, zwei Familien und ein paar Rentner und keine andern Tiere darunter. Ein Mann mit Uniform erklärte uns die Fluchtwege und wo die Rettungsboote zu finden wären. Der Lütte Bonaparte hörte wieder mit gespitzten Ohren zu. Für den war alles neu und aufregend.
„Ja, Kleiner, pass gut auf‟, hörte ich den Karlsson flüstern. „Wenn der Eisberg kommt und wir untergehen, wirst du wissen müssen, welcher Dame du deinen Platz anbieten musst.‟
Der Lütte schluckte erschreckt auf. Glücklicherweise stand die Polly zu weit weg, als dass sie ihm hätte beispringen können. Der Bursche muss lernen, auch mal einen derberen Scherz wegzustecken.

Bei der Demonstration der Rettungswesten hätte ich mir ein bisschen mehr Vorausschau gewünscht. Ich musste mir eine Weste teilen mit der Luna, der Cora und der Fendy, da man keine Exemplare in unseren Größen vorrätig hatte. Ausgerechnet mit den Weibern. Ich. Zumindest die Luna hatte anfangs noch oben rausschauen können, aber als sie den Aufblasmechanismus betätigte, wurde es augenblicklich eng um die Ohren und wir alle vier steckten in einer Röhre aus wattierten Wänden fest, die einen festhielten wie gebackener Schlafrock das Wiener Würsten. Erst als eine große Männerhand durch die Watte gewühlt kam, kriegte ich wieder Luft. Nacheinander wurden wir befreit. Na ja, meinte der Uniformierte, Schiffsunglücke seien im Mittelmeer glücklicherweise recht selten, daher sollten wir davon ausgehen, dass wir die Rettungsweste nicht brauchten.
„Na, Gott sei Dank‟, hörte ich die Luna seufzen. „Der Blaue hat mir an den Hintern gegrapscht.‟
Das ist ja wohl die Höhe! Wenn man um sein Leben kämpft, darf man ja wohl beiseite räumen, was da im Weg ist … ausladend im Weg ist.‟
So!
Die Luna machte „tzz‟ und dampfte ab in Richtung Büro, weil sie telefonieren wollte. Die Rettungsübung war sowieso beendet und alles hatte sich aufgelöst.

Ich ging mit dem Karlsson und dem Lütten zuschauen, wie die Leinen losgemacht wurden und der Anker aus dem Wasser stieg. Wir setzten uns in Bewegung. Langsam juckelte das Schiff den Yachthafen entlang, an den Ausläufern der Stadt vorbei, hinaus aufs blaue Meer.
 
 
Das Schloss D'if passierten wir in der Bucht von Marseille. Früher war es ein Gefängnis und noch früher eine Festung


Das schleichende Tempo behielten wir in bei, schließlich mussten vier Tage rumgebracht werden und nach Monaco war es nicht weit. Die Sonne knallte aus dem knackblauen Himmel, ein leichtes Lüftchen kräuselte Wellen und Segel und wir machten es uns auf den wenigen Sonnenliegen bequem, etwas abseits, damit wir unsere Ruhe hatten.

Von da an gingen wir jeden Morgen gleich nach dem Frühstück an Deck und blieben dort, bis es dämmerte und Zeit zum Abendessen wurde. Natürlich bietet so ein Segelschiff nicht den Komfort eines Kreuzfahrtdampfers, aber das störte uns nicht, weil keiner von uns einen Tennisplatz vermisste und wir unsere Getränke auch so bekamen, wenn wir runter in den Speisesaal gingen und uns unsere Cola oder einen Fruchtshake selbst holten. Wir genossen die Ruhe und die herrliche Landschaft, die an uns vorüber zog. Die Côte d’Azur ist ein reizendes Fleckchen mit zerklüfteten Ufern und malerischen Berghängen. Da wurde man nicht müde hinzuschauen.
 
Hier zwei Impressionen. Natürlich sahen wir vom Schiff aus die Motive andersherum. Das müsst ihr euch mitdenken:

 

Für den maximalen persönlichen Genuss der Fahrt hatte jeder seine eigene Art. Die Polly hörte Unmengen von Krimis auf ihren Kopfhörern. Für die Reise hatte sie extra ein Abonnement beim Hörbuchverlag „Kabumm!‟ (Untertitel „Da klingeln Ihnen die Ohren‟) abgeschlossen. Sie lag auf der Liege unterm Sonnenschirm und schreckte ab und zu hoch. Dann stieß mich der Karlsson an und meinte:
„Wieder 'ne quietschende Tür im Sommerhaus.‟
Manchmal spielten wir beide Autoquartett, das wir hinterm Telefonbuch am Tresen gefunden hatten. Es war schon etwas älter und zeigte einen waldgrünen Maserati, mit dem man gewinnen konnte. Wenn wir fertig waren, stapelten wir die Karten zu Pyramiden. Das war echt kniffelig, weil es schaukelte und manchmal ein leichter Wind aufzog. Wenn alles zusammenfiel, schaute die Luna nicht mal hoch. Sie hatte sich alle Gästebücher von Schohn-Schack nach oben bringen lassen. Jeden einzelnen Eintrag blätterte sie durch. Gelegentlich nippte sie an ihrem Karotten-Kirsch-Saft (mit Strohhalm und Schirmchen), und wenn keiner in der Nähe war, nahm sie einen Stift, strich hier was durch und schrieb dort was dazu.
„Kennst du jemanden davon?‟, habe ich gefragt.
„Nö, nicht persönlich, aber wusstet ihr, dass Hannibal auch schon mal hier auf dem Schiff war? Und Alexander hat einen ganzen Familienurlaub hier verbracht.‟
„Welcher Alexander?‟
„Der Große.‟
Aha.
Der Karlsson rollte mit den Augen. Wieso? Ich finde es gut, dass solchen Dokumente der Zeitgeschichte aufgehoben werden. Wir wüssten von all dem nichts, wenn sich die Leute nicht die Mühe gemacht hätten, ein paar Sätze in die Gästebücher zu schreiben.

Wenn die Luna genug gelesen hatte, ging sie gern das Schiff inspizieren. Der Karlsson und ich begleiteten sie manchmal. Dann wurde in jede Ecke geguckt, jedes Stuhlbein mit der Pfote abgewischt, ob Schuhabrieb daran klebte, und sogar die Abfalleimer wurden kontrolliert hinsichtlich Verschwendung oder Mülltrennung. Bei hochgelegenen Objekten musste ich aushelfen. Nach Anweisung landete ich auf Türrahmen und meldete Staub, ich schaukelte auf Hängelampen, ob sie auch ja fest saßen, und überprüfte stichpunktartig die Takelage nach losen oder vergammelten Fasern.
„Was willst du mit all diesen Information anfangen?‟, hat sich der Karlsson gewundert.
„Na, kannst du dir das nicht denken?‟, kam als Antwort. „Als Profi im Touristik-Business muss man wissen, was man empfehlen wird und was nicht. Meine Ansprüche sind hoch. Schlamperei kommt bei mir nicht in die Tüte.‟

Lobend vermerkt in ihrem Büchlein (das später zurück in die College-Tasche wanderte) wurde von der Luna, dass es auf dem Schiff die Gelegenheit zu einem kleinen Knoten-Kurs gab. Dort konnte man sich in die Kunst der verschiedenen Knottechniken einweisen lassen, die man so braucht auf See. Ich bin mit dem Karlsson hingegangen, aber nicht lange geblieben, weil mir bei der Partnerübung irgend so ein blöder Rentner fast die Luft abgedreht hätte. Die Hände hatten wir vorstrecken sollen. Hab ich gemacht: Flügel geradeaus. Trotzdem landete das Tau um meinen Hals, bis ich ganz darin verschwunden war.
„Setz deine Brille auf, Opa!‟, habe ich mit letzter Kraft geschrien.
Das passiert mir nicht noch mal, dass ich mich auf solch fragwürdiges maritimes Kulturgut einlasse.

Die Cora und die Fendy haben sich selten zu uns auf die Liege gelegt. In früheren Zeiten war das anders. Da konnten sie nicht schnell genug ins Chillen kommen. Tagsüber waren sie jetzt unterwegs, um Fotos zu schießen und Videos aufzunehmen für Fendys Instagram-Kanal und Tiktok. Seit die Fendy keinen musikalischen Lebensweg mehr einschlägt (dem Himmel sei Dank – diese Ruhe!), sondern ihre Berufung im Posten von Mahlzeiten sieht, die kurz vorm Verzehren stehen, oder von sonderbaren Verrenkungen vor allen möglichen und noch unmöglicheren Kulissen, hatte die Cora alle Krallen voll zu tun, um den Wünschen gerecht zu werden. Man sah die beiden in luftiger Höhe in der Takelage herumturnen, die Cora weit nach hinten gebeugt, die Digicam vorm Gesicht, während die Fendy eine Pose einnahm, als sei es das Normalste von der Welt, wie zufällig gegen eine Straßenlaterne gelehnt am Mast eines Großseglers zu kleben. Andere Fotoshootings fanden in der Kajüte beim Küchenpersonal statt, das gerade Kartoffeln schälte (man hatte für die Erlaubnis lieb mit den Augen geklimpert), oder allen Ernstes im Rettungsboot neben der Plane, die man extra dafür ein Stück beiseite gezogen hatte. Abends, nachdem sie die Fotos und Videos gesichtet hatte, verschwand die Fendy im Büro und schickte den ganzen Kram per Mail nach Hause zum Mörßel, der dann alles einstellen musste. Ihr Kanal heißt „One Fency Day with Fendy.‟ Ja, wenn es denn bei einem Tag geblieben wäre, wollte man ja nichts sagen, aber hier flutete der Müll ja schon seit Wochen ins Internet. Einen unpassenderen Namen hätte sie sich nicht aussuchen können.


Schwindelig durfte einem dort oben nicht werden

Dass wir grundsätzlich ohne Smartphones verreisen, damit unsere Menschen uns nicht überwachen können, ist der Fendy auf dieser Reise besonders schmerzlich aufgestoßen. Wie könnte sie jetzt dastehen – berühmt, bewundert und reich –, wenn sie den verträumten Blick aus dem Bullauge der Gästetoilette hätte live streamen können, anstatt dass die Welt von diesem Jahrhundertereignis erst Stunden später erfuhr. Abends beim Nachtmahl war die Cora immer so kaputt, dass sie sich weigerte, auch noch Fendys Obstteller abzufotografieren.
„Hier, mach selbst‟, hieß es knapp und die Digicam wurde einen Platz weiter geschoben.
Am letzten Abend ist dann das Fass übergelaufen. Die Cora hat sich derart mit Mojitos und Gin-Whisky-Gepanschtem zugedröht, dass sie frühzeitig zum Lütten ins Bett gebracht werden musste. Zwar sind derartige Zustände, wie man weiß, nicht ungewöhnlich, doch normalerweise besäuft sich die Cora aus Spaß und nicht, um zu vergessen.

Apropos der Lütte. Den haben wir tagsüber auch nur selten zu Gesicht bekommen. Er hatte sich nämlich mit den beiden Kleinkindern der Familien angefreundet. Zusammen spielten sie verstecken, rannten gemeinsam übers Deck, steckten die Nasen zwischen die gedrechselten Stäbe der Reling, warfen Papierboote ins Meer und schauten zu, wie lange sie überlebten, oder lagen auf einer Decke und blätterten in Kinderbüchern. Von den Gören ließ sich der Micky das Fell zerwühlen und am Schwanz über die Planken zerren. Ab und zu kam er zur Polly an die Liege, um sich Kekse zu holen. Sie nahm dann ihre Kopfhörer raus und sagte „Fein‟ oder „Na, dann spiel man weiter‟. So sehr wir uns auch freuten, dass der Lütte seinen Spaß hatte, so bedenklich erschien es uns, wie sehr er seine Pflichten vernachlässigte. War er nicht hier, um seine Catering-Kenntnisse auszubauen? Davon kriegte man aber herzlich wenig mit. Bei einer günstigen Gelegenheit nahm der Karlsson ihn daher beiseite und redet ihm ins Gewissen. Kurz darauf erschien der Lütte wieder an Deck, diesmal vorschriftsmäßig mit seiner Bento Box unterm Kinn. Wir ließen ihm noch bis nach dem Mittagessen Zeit, bevor wir uns nach den Erfolgen erkundigten. Artig schnallte er die Box wieder ab und zeigte vor, was sich nun darin befand. Wir trauten unseren Augen nicht.
„Das ist alles?‟
In der Box klimperten ein paar Liebesperlen, die er ganz offensichtlich den beiden Gören abgenommen hatte. Sonst war gähnende Leere. So ging das nicht weiter. Wir mussten ernst werden, sehr ernst. Mit hängenden Ohren trottete der Lütte davon. Später fanden wir ihn in der Kabine auf dem Bett liegen. Die Polly lag neben ihm und schaute liebevoll zu, wie er ein großes Schokoeis am Stil schlabberte. Sehr wahrscheinlich hatte sie es in einer ihrer inzwischen licht gewordenen Leberwurstboxen gelagert. Ich war außer mir. Nicht die Polly sollte hier klau... äh ... organisieren gehen, sondern der Lütte. War das so schwer zu verstehen? Wir hatten einen Auftrag zu erfüllen. Das waren wir dem Pit schuldig. Sein Lehrling sollte es zu was bringen. Das ging aber nicht, wenn man ihm die Arbeit abnahm und obendrein mit Eis fütterte.
„Schrei hier nicht so rum‟, hat die Polly gesagt. „Dann geh doch selbst mit ihm mit und guck, ob er alles richtig macht.‟

Jawohl, das habe ich getan. Der Lütte kriegte einen Stundenplan, auf dem verzeichnet war, wann er sich an die Arbeit zu begeben hatte. Genau genommen waren es die Mahlzeiten plus Nachmittagstee, eigentlich gut zu merken, aber bei Kindern helfen schriftliche Stützen enorm. Und tatsächlich, die Erfolge blieben nicht aus. Abwechselnd überprüften der Karlsson und ich die Fortschritte. Mal waren es Hähnchenschenkel und Reisbällchen, mal getrocknete Feigen und Muffins. Nicht schlecht. Irgendwann würde der Lütte schon noch den Dreh kriegen zu haltbareren Sachen wie Mettwurst, Schaumwaffeln und Chips. Nur die Ölsardinen, die brauchte er nicht zu üben, denn die wollte keiner. Wir hatten ja keinen Kater mehr dabei.

Das Essen auf dem Schiff war ausnahmslos gut. Trotz des geringen Platzes wurde dreimal täglich ein reichhaltiges Büffett aufgefahren. Jeder kam auf seine Kosten. Die Luna blieb beim Gemüse, die Hunde beim Fleisch, nur wir Vögel griffen gern mal zu einer Abwechslung wie Pizza, Omelette oder Pfannkuchen. Sehr störend fand ich nur, dass der Karlsson neuerdings allerlei Fäden und Kordeln mit an den Tisch brachte, um irgendwelche Knoten vorzuführen.
„Hey, ist das nicht die Schnur von meinem Kulturbeutelbeutel?‟, hat die Fendy gerufen.
Sie vermisste das Käpt'ns Dinner, vermutlich das Highlight ihrer gesamten Instagram-Karriere. Doch bei uns auf dem Segler gab es so was nicht. Die Fendy zog einen Flunsch:
„Dabei hab ich doch extra mein Paillettentop eingepackt und die Cora ihre Boa.‟
Ach ja, richtig, die hellblaue Flausch-Boa. Der Max hatte davon berichtet. Mit der war die Cora schon in der Antarktis unterwegs gewesen. Jahrhunderte muss das her sein.


Vegetarisch ...

... und hundevegetarisch

 

Nach dem Abendessen, wenn alles abgeräumt war, verwandelte sich der Speisesaal in einen Aufenthaltsraum. Man konnte fernsehen und Videos schauen. Auch die Bar hatte dann geöffnet. Dort trafen wir uns jeden Abend bei einem schönen Cocktail, um den Tag ausklingen zu lassen, abzüglich des Lütten natürlich, der noch in die Dusche musste und dann von der Polly ins Bett gebracht wurde. Obwohl die Cocktails nicht im Preis inbegriffen waren, hatten wir großzügig grünes Licht erhalten von der Luna, die ja den Etat überwachte. Das war bemerkenswert, denn sie selbst sollte ja ein mehr oder minder ernstes Problem mit dem Alkohol gehabt haben, wie man munkelte, aber bisher nicht bestätigen konnte. Manche Leute werden danach streng und unerbittlich, wollen am liebsten das Thema ganz eliminieren, doch die Luna blieb entspannt, zuckte nicht mal mit einem Löffel, während wir uns durch die Getränkekarte probierten. Sie selbst bestellte nur Ginger Ale oder Ananassaft. 

Wir gaben allerdings auch keinen Anlass zur Beschwerde. Wir blieben grundsolide. Zu alkohlbedingten Unfällen kam es auf der ganzen Fahrt nicht (abgesehen von Coras Frustsaufen am letzten Abend). Auch keine Sonnenbrände mussten verarztet werden, und seekrank ist auch niemand geworden. Tja, Vorbereitung ist eben alles. Jeder hatte seine Sonnenbrille dabei und trug meist auch seinen Sonnenhut. Coras Hausapotheke für den Notfall blieb diesmal unberührt. Für den Kater am nächsten Morgen brauchte sie als langgediente Fachkraft längst keine Sprudeltablette mehr. 

 

Der nächste Hafen, den wir anfuhren, war Monaco. Uns begrüßte die majestätische Kulisse einer zugebauten, aber dennoch einladenden Metropole. So jedenfalls hatte es den Anschein, als wir die vielen Hochhäuser erblickten, die sich an den Hängen entlang reihten. In Wahrheit hat die Stadt nur knapp 40.000 Einwohner, allerdings auf nur 2,03 km² Fläche. Das ist verdammt wenig Raum, daher gehört Monaco zu den dicht besiedelsten Staaten. Außerdem ist es der zweitkleinste Staat der Erde. Kleiner ist nur der Vatikan.


Aber schön bunt sind sie, die Hochhäuser


Die Fendy war ganz fleckig im Gesicht vor Aufregung.
„Cora! Cora! Nimm mich auf! Mach Video! Jetzt! Mit den Yachten hinter mir!‟
Wie sollte das denn gehen? Dazu hätte sich die Fendy auf die Reling stellen müssen, damit sie die Stadt im Rücken hätte, und sowieso war die Cora mittlerweile so abgenervt, dass sie nicht mal mehr pro forma die Digicam in die gewünschte Richtung hielt, um der Fendy behilflich zu sein. So entging, fürchte ich, der restlichen Welt das historische Ereignis, wie eine auf und ab springende grüne Vogel-Influencerin auf den Hafen von Monaco zusteuerte. Wegen der Größe unseres Segelschiffs mussten wir etwas weiter draußen ankern. Ein kleines Motorboot holte uns ab. Aber abfahren konnten wir noch nicht, weil wir noch auf die Luna warten mussten, die noch schnell hatte einen Eintrag ins Gästebuch tätigen und sich von Schohn-Schack verabschieden wollen.
„Ich werde Sie weiterempfehlen‟, hörte ich sie sagen.

Dann ging es per Taxi direkt zum Hotel. Alles war gut organisiert. Pollys Leberwurstboxen kamen später nach. Jo, das war ja mal ein ordentliches Hotelzimmer: großzügig, hell, mit flauschigen Teppichen auf dem Parkett, goldgefassten Kugellampen, großen Fenstern und, wie sich gleich herausstellte, mit einem herrlichen Blick aufs blaue Meer. Wir befanden uns in einem exklusiven Ferienkomplex, vermutlich auf einer künstlichen Insel, die man durch Aufschütten dem Wasser abgerungen hatte. Wow, da hatte sich der Erik nicht lumpen lassen. Schick, sehr schick. Natürlich musste das sofort dokumentiert werden. Die Fendy riss der Cora die Digicam aus den lahmen Krallen, damit sie selbst tätig werden konnte. Mit dem Chip ist sie sofort zur Rezeption aufgebrochen, um nach dem nächsten Wlan für ihre E-Mails zu fragen.
„Sag dem Mörßel, dass er sich in unserm Namen beim Erik bedanken soll‟, hat der Karlsson noch hinterhergerufen.

 

Unser Hotel: unser würdig
 

So, das war schon mal ein guter Ausgangspunkt für unsere dreitägige Städtetour. Hier ließe es sich gut entspannen, wenn wir von unsern Trips zurückkämen. Aber nur keine Zeit vergeuden. Erst mal haben wir uns in der nächsten Umgebung umgeschaut, in der Hotelanlage. Auf die Rückseite war ein großzügiger Pool gebaut worden. Er schlängelte sich in mehreren Kanälen durch eine Art Park.
„Oh, darf ich da rein?‟, hat der Lütte gefragt.
Ehe die Polly antworten konnte, machte es schon platsch und der Bursche paddelte mit hoch erhobenem Oberkörper an den Palmen entlang. Einige Mütter zerrten hastig ihre Kleinkinder aus dem Wasser. Irgendwie sah es komisch aus, wie er da so angestrengt Schaum um sich produzierte, aber nicht recht vom Fleck kam.
„Das ist die Bento Box‟, hat mich die Luna aufgeklärt.
Tatsächlich. Die trug der Lütte jetzt immer um den Hals, seit der Karlsson ihm im Hafen gesagt hatte, dass die Schonzeit der Schiffsreise vorbei sei und er nun zeigen könne, was er im offenen Feldversuch so drauf habe. Vermutlich war die Bento Box leer und verhielt sich daher wie ein Korken. Nach einer Weile verlor der Lütte die Lust und kam freiwillig hinter uns her.
„Schaut mal!‟, zeigte die Polly auf ein asphaltiertes Feld am hinteren Geländerand. „Dort gibt es sogar einen Hubschrauberlandesplatz.‟
Oh ja, jetzt sah ich es auch. Das große H auf dem Boden verriet den Zweck. Dumm nur, dass die Fendy das nicht mitbekam, weil sie ja noch immer irgendwo hockte und ihre Mails versendete. Sie hätte gewiss eine mehrreihige Nachfolgestory daraus gemacht, denn es kam ja nicht alle Tage vor, dass man in einem Hotel wohnte, wo man mit dem Helikopter anreiste. Verraten haben wir ihr nichts.

In den nächsten drei Tagen waren wir bis abends unterwegs. Wir klapperten alles ab, was man als Tourist gesehen haben musste. Oben auf einem schroffen Felsplateau steht der Fürstenpalast. Da mussten wir natürlich hin. Die Fendy hat sich das Gehirn wegfotografiert und die Cora wollte unbedingt die Zwillinge sehen. Ewig mussten wir warten auf dem großen Platz davor, ob sie nicht zufällig vorbeikämen. Gerade aus der Schule zurück mit Ranzen und Turnbeutel, zu Fuß zum Mittagessen, oder wie stellte sich die Cora das vor? 

 

Dort hinten mit schöner Aussicht aufs weite Meer der Fürstenpalast

Während die Cora nicht vom Fleck zu kriegen war, gingen wir ins Museum. Das befindet sich in einem Seitenflügel des Palastes. Dort waren Exponate aus der napoleonischen Ära ausgestellt. Die Luna rannte vorneweg mit einem Flyer in der Pfote. Sie war wieder geschäftlich unterwegs, die Barrierefreiheit für beinamputierte Giraffen zu überprüfen oder so was. Ich behielt unauffällig den Lütten im Auge. Nicht dass der Pit ihm etwa das Popeln beigebracht hatte und wir nun ebenfalls wachen müssten, dass er nicht dass Erbe anträte und nun ebenso Kirchen und andere wertvolle Gebäude in Schutt und Asche setzte.
„Was starrst du mich denn so an, Boff?‟, wurde ich gefragt.
„Hihihi‟, hat der Karlsson gelacht. „Zum Sherlock Holmes musst du wohl noch 'ne Schippe Unauffälligkeit drauflegen, Meister Piepsi.‟
Ach, was wusste der denn? Der Karlsson war unser Gefährt. Gut, dass wir ihn hatten, aber auslachen lassen musste man sich deshalb noch lange nicht. Dass die Fendy in seinem Nacken so herumhampelte und ihm die Digicam dauernd gegen den Hinterkopf schlug, vergnatzte ihn sehr. Fast hätte er die Fendy abgeschüttelt. Sie hielt sich nur oben, weil sie sich ein Bein unter sein Halsband geschoben hatte, um sich daran festzuhalten. Die dumme Nuss war inzwischen total crazy geworden mit ihrer Fotografiererei. Sogar die Pflastersteine wurden abgelichtet. Ich seh schon die Überschrift bei Instagram: „The holy ground I was looking at.‟

Draußen haben wir die Cora eingesammelt.
„Na, sind die Zwillinge vorbeigekommen?‟, hat sich die Polly erkundigt.
Das tiefe Seufzen, das aus Coras Schnabel entwich, ließ mich vermuten – nein.

Je mehr man in der Altstadt herumkam, desto deutlicher merkte man, dass es dort schöne alte Häuser mit eleganten Fassade gibt und nicht nur die schlichten Hochhäuser, die den Blick aus der Ferne beherrschen.

Hier seht ihr Beispiele:

Der Justizpalast

Die Spielbank

Das berühmte Casino durften wir natürlich auf keinen Fall verpassen. Leider kamen wir nicht rein, da niemand von uns – außer der Cora – schon 18 war. Allein wollte sie aber auch nicht reingehen, obwohl die Fendy sie sehr drängte, doch ein paar Fotos für sie zu schießen, zumindest eins vom Roulettetisch. So sind wir gemeinsam wieder abgezogen.

Wenn wir tagsüber Hunger bekamen, sind wir irgendwo eingekehrt, mal beim Italiener, mal in einem Burger-Tempel, mal für ein Schoko-Croissont oder einen Salat (mit Putenstreifen!) in eine Brasserie. In der staubigen Hitze die bisweilen steilen Straßen hoch und runter zu laufen, verdarb einem den Appetit auf schweres Essen. Das haben wir dann abends zu Hause im Hotelrestaurant nachgeholt. Dort gab es kein Büfett, sonder Essen à la carte, von einem richtigen Kellner in Livree serviert. Gott sei Dank hat sich der Lütte tadellos genommen. Er wusste seine Leberpastetchen manierlich runterzuschlingen und anschließend hat er sich sogar mit der Serviette die Soße von der Schnauze getupft.
„Fein, mein Junge‟, hat die Polly stolz gelobt.

Sie interessierte sich nicht dafür, was er abends an Ausbeute in der Bento Box nach Hause brachte. Dafür fanden der Karlsson und ich es umso interessanter. Wir kippten alles über ein Handtuch aufs Bett. Inzwischen waren etliche Schokoriegel dabei, gelegentlich saure Drops und auch mal ein unversehrtes, noch eingepacktes Schinken-Sandwich. Wir nickten anerkennend. Dankbar lächelte uns der Lütte an. Woher er all das Zeug hatte, erfragten wir natürlich nicht. Das war Berufsgeheimnis, das ging uns nichts an.

Ein andermal sind wir zu Fuß einen kompletten Hang hochgeklettert, immer die Serpentinen hinauf. Von dort oben hatte man zwar einen phantastischen Blick auf Monaco, aber dafür taten einem aber auch die Füße weh.
„Wieso?‟, hat der Karlsson gemeckert. „Ich lauf doch hier, nicht du, du faule Socke.‟

Der liebliche Blick auf die Stadt - mit viel Schweiß erkämpft


Für sein Alter hielt sich der Karlsson sehr gut. Auch der Polly merkte man ihre Einschränkung durch die Krankheit nicht auf Anhieb an. Allerdings legten wir viele Pausen ein, in denen wir am Straßenrand saßen oder, wenn möglich, im Schatten in einem kleinen Park. Dort verzehrten wir den Proviant aus der Bento Box. Die Kekse und Waffeln, die sich dort anfanden, erfreuten sich allgemeiner Zustimmung, doch wurde etwas zu Trinken vermisst. Die Sonne drückte doch ordentlich. Da verlangte die Kehle nach Labsal. Der Lütte guckte schuldbewusst.
„Coladosen gehen nicht rein in die Box‟, hat er sich entschuldigt.
Na, dann müssten wir eben umdisponieren und ihm einen Beutel zulegen, schließlich hat der Pit auch alles damit erledigt.

Beim Abstieg hielten wir Ausschau nach einem entsprechenden Geschäft. Zurück in der Altstadt gerieten wir auf einen kleinen Markt. An einem Stand, der Handtaschen und Gürtel verkaufte, fanden wir einen Haken mit passenden Stoffbeuteln. Sofort machte sich die Fendy als Fachfrau für Modefragen an die Auswahl. Die Cora musste sie dabei filmen, wie sie alle Beutel durchgrabbelte. Mal hielt sie einen quietschgelben mit der Aufschrift „Alcatraz‟ hoch, mal einen pinkfarbenen mit aufgedrucktem lindgrün-hellblau-kackbraunem Karomuster.
„Nee‟, meinte der Karlsson. „Gibt's nichts Schlichtes?‟
Am Ende nahmen wir einen weißen Baumwollbeutel ohne jegliche Aufschrift, der sich neben dem Stuhl des Händlers befand und einen Kopfsalat und eine Tüte Tomaten enthielt. Erst hat sich der Mann nicht von seinem Privateigentum trennen wollen, doch als die Luna entnervt von dem Hin und Her die Kreditkarte zückte und einen guten Preis nannte, wechselte das gute Stück den Eigentümer. Die Polly und die Cora mussten noch ein bisschen helfen, die Henkel kürzer zu knoten, damit der Beutel gut um den Hals passte und den Lütten nicht beim Gehen behinderte.
„Passt, wackelt und hat Luft‟, hat die Polly das Ergebnis zusammengefasst.
Das war ja mal wieder typisch. Wenn es um was Wichtiges geht, war der Karlsson nicht zu gebrauchen. Hatte er an einem Knoten-Kurs teilgenommen oder etwa nicht? Da hätte er sich jetzt ja mal sinnvoll einbringen können. Die Bento Box haben wir in einem Abfallkorb entsorgt. Sie war sowieso viel zu laut gewesen, wenn darin alles hin und her schepperte.
„Der gelbe Beutel hätte mir aber viel besser gefallen‟, musste der Lütte alles noch mal aufkochen, als wir längst drei Straßen weiter waren. Doch mit einem „Bist du still!‟ wurde der Frieden schnell wieder hergestellt.

Zum Thema Serpentinen fällt mir ein, dass wir uns natürlich auch die Formel-1-Strecke angeschaut haben. In diesem Jahr war das Rennen im Mai. Ein Stehplatz kostet um die 1000 Euro, je nachdem, wie gut man die Sicht haben will. Ich hätte die Kohle für keinen der Plätze hergegeben, weil mir schon auf der leeren Straße ganz schlecht wurde. Wie sollte es dann erst sein beim Rennen sein, wenn die Wagen die engen Kurven kriegen mussten, ohne irgendwo gegenzufahren? Bestimmt war in Monaco ALLES doppelt so teuer wie anderswo, auch die Mauern an den Straßenseiten, ganz zu schweigen von den Rennwagen selbst, die ja enorm an Wert verloren, wenn sie einen Kratzer aufwiesen. Nee, das wollte ich live nicht erleben.

 
Guckt mal, wie eng es hier ist. Schaurig

„Weichei‟, hat der Karlsson vor sich hingemurmelt.
Woas? Ich?
Nun aber halblang. Das war jetzt ein Tropfen zu viel aufs heiße Fass. Jetzt gibt’s Gegenwind, gnadenlos. Unauffällig habe ich die Luna beiseite gezogen. Irgendwo hatte ich mal was gelesen von Speedbooten, die in Monaco ganz besonders schnell sein sollen. War noch Geld übrig, um eins zu mieten? Die Luna schaute mich misstrauisch an.
„Bist du lebensmüde?‟
„Nein, ich will nur schauen, ob der Karlsson noch Mumm in den Knochen hat.‟
Früher war er ja immer groß am Tönen, dass es nicht schnell, weit und hoch genug gehen konnte. Ach nee, ich korrigiere mich: hoch war nicht dabei. Aber Speedboot ist er auf den Reisen schon mal gefahren. Bislang hatte er sich gut dabei gehalten. Aber galt das immer noch, jetzt wo das Alter ihm das eine oder andere Zipperlein bescherte?
„Okay‟, meinte die Luna. „Geld ist noch da. Allerdings weiß ich von nichts. Wenn der Erik später fragt, ich war nicht dabei und wusste auch nicht, was ihr beiden vorhattet.‟

Als ich dem Karlsson sagte, dass ich ihn herausfordern wolle, war er Feuer und Flamme. 
"Um was geht's?"
"Beweis mir, dass du keine Memme bist." 
Wow! Speedboot! Da sei er natürlich dabei. Ich solle mal sehen, wie er mich als jungen Spund eiskalt an die Wand siegen werde. Wann gehe es los?

Am Nachmittag hatten wir endlich einen Verleih gefunden, der bereit war, uns einige Male um den Pudding zu fahren. Die Konkurrenz hatte abgelehnt, weil ich angeblich nicht in den Sicherheitsgurt passte. Blödsinn. Mit einem bisschen Geschick ließ sich das Problem ganz leicht lösen. Ich wurde mit mehreren Gummibändern (auch Schlüpfergummi genannt) am Sitz festgezurrt, und zwar so stramm, dass mich kein Orkan hätte über Bord fegen können. Dem Karlsson wurde ein normaler Sicherheitsgurt angelegt. Wir waren allein mit dem Fahrer, obwohl zumindest der Lütte auch gern mitgefahren wäre. Doch nein, so was ist nichts für Kinder. Hier ging es um Mut, Ausdauer und Überwindung von Angst, also reines Männerzeugs. Die Luna hatte sich wie angekündigt rechtzeitig aus dem Staub gemacht, ich glaube zum Aquarium. In Monaco heißt es Ozeanisches Museum. Die Cora und die Fendy waren unterdessen Schaufenster gucken gegangen und die Polly hatte den Lütten zum Eisessen eingeladen. Es konnte losgehen. Nur wir beide, der Karlsson und ich gegen die Natur und die Psychologie.

 
So ähnlich sah auch unser Teufelsgefährt aus


Ich muss schon sagen, es ruckte ordentlich an, als das Boot Gas gab. Mich drückte es nach hinten. Ein schwerer Stein lag auf meiner Brust. Viel sehen konnte ich nicht, weil mir die Augen tränten. So musste es sich anfühlen, wenn man ins Gebläse eines Industriestaubsaugers geriet. Eine Mischung aus Rauschen und Quietschen verhinderte jegliche akustische Wahrnehmung. So konnte ich auch nicht hören, ob sich der Karlsson neben mir auch gerade in die Hosen machte oder sogar um Hilfe schrie. Ich glaube, die meiste Zeit sind wir geradeaus gefahren. Zwischendurch wurden wir langsamer und  änderten offenbar die Richtung, jedenfalls kam ich mir vor wie der Zeiger auf einer Uhr, der mal auf Viertel nach gedreht wurde, mal auf Viertel vor. Das Ganze schien ewig zu dauern. Ich wusste bis dahin nicht, wie lang zwanzig Minuten sein können. Als wir endlich zum Stehen kamen und ich wieder etwas erkennen und hören konnte, befreite man mich aus dem Gummikorsett und legte mich auf die Ufersteine. Nach mir wurde ein steifes, deformiertes und mit einer hellen Flauschdecke überzogenes Gerät an Land getragen und ebenfalls abgesetzt. Erst war es stumm, dann begann es zu reden.
„Boah, mein Kopf!", stöhnte es.
Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass es sich um den Karlsson handelte. Ich konnte es nicht glauben.
„Freund, bist du das?‟

Okay, kürzen wir die ganze Sache ein wenig ab. Wir haben uns von einem Taxi zum Hotel bringen lassen. Dort haben wir alle Handtücher, die wir finden konnten, nass gemacht, die Jalousien runtergezogen, so dass es stockdunkel war, wir haben uns die Tücher auf die Stirn gelegt, uns auf dem Bett rücklings ausgestreckt wie Tote und uns geschworen, nie wieder einen Fuß auf ein Boot zu setzen, das schneller fährt als 60 km/h. Mir pfiffen die Ohren, ich hatte Halsschmerzen, Husten, tanzende Punkte vorm Blick und ein Gefühl, als würde mir ein Schraubstock die Brust zudrücken. Die Halsschmerzen und das verkorkste Sehen konnte der Karlsson bestätigen. Allerdings pfiffen seine Ohren nicht, sondern brummten. Dafür taten ihm die Hüftknochen weh, es lief ihm die Nase und im Magen absolvierte eine Waschmaschine gerade den Schleudergang. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass wir quitt waren.

Den restlichen Abend und die Nacht kamen wir nur schlecht in den Schlaf. Irgendwas tat immer weh. Zwischendurch drehte jemand volle Kanne das Licht an.
„Licht aus!‟, haben der Karlsson und ich gleichzeitig geschrien.
Es waren die andern, die von ihren Touren zurückkehrten und sich zum Abendessen fertig machen wollten. Die Luna hat statt des großen Lichts netterweise die kleine Lampe im Bad angeknipst.
„Da seid ihr ja wieder‟, hat der Lütte fröhlich gerufen. „Kommt ihr mit zum Essen?‟
Statt einer Antwort stöhnten der Karlsson und ich – erneut völlig synchron – nur angewidert auf. Nahrung? Nicht jetzt und nie wieder im Leben.

Später hat die Fendy ihr Paillettentop übergezogen und die Cora ihre Puschelboa umgelegt. Man hatte einen Nachtklub entdeckt, für dessen Ambiente das Zeug, das immerhin fürs Käpt'n Dinner gedacht war, angemessen erschien. Die Luna ging so mit, ohne Verkleidung. Den Lütten ließen sie bei uns zurück. Das allein wäre ja noch gegangen, wenn die Polly ihm nicht noch stundenlang aus dem „Waldhaus‟ vorgelesen hätte, während die beiden Hennen duschten und sich mit Parfüm einnebelten. Boah, ich konnte es nicht mehr hören: „Duks, sagten die Tiere.‟

Als die die Weiber endlich abgerauscht waren (Gott sei auf Knien gedankt), fing der Lütte neben uns an, im Bett herumzuwurschteln. Er schmiss sich nach links, schmiss sich nach rechts, wodurch wir zwangsläufig mitwippten. Dann fischte er im Dunkeln irgendwas unterm Bett hervor. Gleich darauf krachte es, als würde mit einer Spitzhacke Granit zertrümmert werden.
„Halt jetzt endlich die Klappe und legt dich still hin!‟, habe ich geschrien, was meine Stimme noch hergab.
„Ich ess doch nur eine Butterwaffel‟, kam es kleinlaut zurück.
Danach war Ruhe.

Ich wachte auf, weil mir Rosmarinduft in die Nase stieg. Neben mir stand ein Tablett mit Rührei, mediterran gewürzt. Die Mädels waren vollzählig vorhanden, sahen erfrischt aus und hatten bereits die Jalousien ein Stück nach oben gezogen. Draußen schien die Sonne. Ich tat so, als schliefe ich noch. Der Karlsson neben mir hatte wohl die gleiche Idee, er rührte sich genauso wenig. Leider musste ich mir dadurch anhören, wie sich die Luna mit der Cora und der Polly darüber unterhielt, wie primitiv Männer doch seien, sie riskierten ihre Gesundheit bei bekloppten Wettbewerben und kämen danach nicht in die Puschen. Das war ja wohl die Höhe! Ich war krank. Der Karlsson auch. Wir hatten Mitgefühl verdient, kein dummes Geschwätz. Weil ich die Stimme der Fendy nicht ausmachen konnte, kam mir kurz der erschreckende Gedanke, dass sie gerade ein Video von uns aufnahm, um es auf ihrem Kanal zu zeigen. Dann beruhigte ich mich wieder, weil wir bestimmt zu fertig aussahen, als dass wir uns zum Vorzeigen und Angeben geeignet hätten. Einschlafen konnte ich sowieso nicht mehr. Der Lütte schnorchelte mir jetzt übers Gesicht und zog mit der Schnauze vorsichtig meinen rechten Flügel auf und ließ ihn zurückflutschen. Als der Karlsson sich aufsetzte, knackte es fürchterlich. Die Bettfedern waren es jedenfalls nicht.

Gut, dass wir am Mittag am Flughafen sein mussten. Touristenaktivitäten wären jetzt nicht unsere erste Wahl gewesen. Gesehen hatten wir in Monaco genug. Ich vermisste nichts. Der Rucksack war schnell gepackt. Das Rührei habe ich mit dem Karlsson geteilt. Es ist immer vorteilhaft, wenn man was im Magen hat. Dann ging es auch schon mit dem Taxi zum Flieger. Pollys – nun leere – Boxen würden wie gehabt nachgeschickt werden. Eine Spedition war engagiert, um sie zu Hause abzuliefern. Das hatte rundherum prima geklappt. Der Luna gebührte Anerkennung für dieses logistische Meisterstück. 


Bye, bye, Monte Carlo. Du konntest ja nichts dafür


Im Flieger bekam mir das Geschaukele nicht gut, wenn wir in ein Luftloch sackten. Auch der Karlsson würgte dann unauffällig vor sich ins Zeitschriftennetz. Gar nicht verstehen konnte der Lütte, warum wir plötzlich nicht mehr seinen Proviantbeutel überprüfen wollten. Der sei nämlich sehr geräumig und alles in allem recht bequem, teilte er uns mit.
„Wollt ihr ein Camembertbrötchen?‟, hat er insistiert. „Oder lieber eine Krakauer mit Senf?‟
„Lass sie in Ruhe‟, ist die Cora dazwischengegangen. „Die haben gerade Männerschmerz. Da wollen wir nicht stören.‟
Seit die Cora wieder Kraft geschöpft hatte durch den Umstand, dass sich die Fendy um ihre Videos und ihre Fotos weitgehend selbst kümmerte, war sie wieder ganz schön vorlaut geworden. Vom Karlsson kam nur ein Achselzucken. Der weise alte Mann wollte sich offenbar nicht provozieren lassen.

In Hannover in der Flughafenhalle erlebten wir das gleiche Szenario wie eine Woche zuvor bei der Verabschiedung. Der Mörßel schmatzte die Fendy ab, als müsse er die verpassten Tage nachholen, und der Erik drückte seine Luna herzlich an sich, allerdings mit der ein bisschen zu unauffällig geäußerten Frage, ob alles glattgelaufen sei und ob die Kreditkarte noch da wäre. Ja, Liebster, alles im grünen Bereich. Nichts vorgefallen, nichts zu beklagen, nichts zu bereuen, alles gut.
 
Vielleicht kriegt die Fendy ja doch noch die Kurve und wandelt ihren komischen Protz- und Laber-Kanal in eine Geldquelle. Dann könnten wir die Route 66 befahren. Der Karlsson hat diesbezüglich was anklingen lassen. Danken würde es auf jeden Fall der Erik, denn ich bin mir sicher, dass er eine Woche lang nicht geschlafen hat. So schnell dürfte er das nicht wiederholen wollen.

*Habe ich jetzt die Tüdelchen richtig gesetzt, Karlsson?

Fotos:
           Cora: © G. H.
           Micky: Club der glücklichen Vierbeiner
           Karlsson u. Polly: © Terrierhausen
           Luna: © K. R.
           Yachthafen: Pixabay
 
© Boff 

Kommentare

  1. Nö, ich mach das nicht mit. Auf der einen Seite soll ich für das Catering zuständig sein und wenn der Beutel bis oben voll ist, guckt da nicht mal einer rein, auf der anderen Seite darf ich nie mit wenn das Abendprogramm anfängt. Das ist gemein. Schließlich werde ich schon 2 Jahre alt. Da müsst ihr Euch in Zukunft schon entscheiden, ob ich noch Kind oder erwachsen bin.

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    1. Lieber Micky, zum Erwachsensein gehört auch, dass man die Dinge richtig wiedergibt. Selbstverständlich durftest du in Monaco am Abendprogramm teilnehmen. Denn während die Mädels sich in der Nachtbar gelangweilt haben, konntest du mit dem Karlsson und mir eine exklusive Nacht im großen Doppelbett verbringen. Mehr Männergemeinschaft geht nicht.

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  2. Das war ultra langweilig, dass ging garnicht. Wenn wir wenigstens einen spannenden Krimi geguckt hätten. Aber so, never ever

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  3. Soooo ein Unsinn - wenn es um etwas Wichtiges geht, ist Karlsson nicht zu gebrauchen?!?! Meine Frage, ob es denn nichts Schlichtes gibt, war ja wohl die Hauptfrage des Tages.
    Ich bin der kulturell und intellektuell wichtigste Gutsherr, Master of Designkritik und überhaupt!!

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    1. Das nächste Mal besuchst du bitte einen Batik- oder Mosaiklegekurs. Es war ganz schön nervig, dass morgens die Jalousie vorm Bullauge nicht hochging, weil die Schnüre voller Knoten waren, du Master of Designkritik.

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    2. Auf Schiffen MUSS man Knoten machen können! Und ich KANN!
      Mein Papa hat einen Freund, der hat eine tolle Segelyacht und den kann man super toll lustig auf die Palme bringen, wenn man an Bord von „Schnüren“ spricht :-)

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    3. Oh, das ist gemein. Jeder weiß, dass es Tau heißt. Deswegen kennt auch jeder das Innungslied der Seeleute: Im FrühTAU zu Berge wir ziehn, fallera."

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  4. Hi Boff, vermisst Du irgendwie Deine Putze? Ich fürchte die ist gerade bei uns...
    Luke

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    1. Wie … die Putze ist bei euch? Ich dachte, sie besucht den Workshop „Erst mein Tier, dann ich – die Prioritäten richtig setzen, so klappt's‟. Hat die uns etwa angelogen? Das wäre ja n' Ding. Nächste Frage: Was will die bei euch? Ein Praktikum bei „Hopp & Ex‟ wird sie ja wohl nicht absolvieren (wie damals der Erik). Da kommt mir ein ganz anderer Verdacht: Sie hat sich mit Tante Susanne zusammengetan und macht jetzt Erfahrungsaustausch: Wie viel Kostgeld nimmst du? Dürfen deine spät abends noch Horrorfilme schauen? Was hältst du von Lebertran und Nutella? Was machst du, wenn sie einen Flunsch ziehen, wenn die dran sind mit Abspülen? Derartige Gespräche können nicht unser Interesse sein. Luke, misch denen mal Spülwasser in den Prosecco. Strafe muss sein. So weit kommt es noch und die beiden Tanten fahren womöglich nach St. Peter Ording (UNSEREM St. Peter Ording!) und amüsieren sich dort. Nicht auszudenken. Das wäre Frevel!

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    2. Micky uns ich sind total fertig. Die Putze ist hier plötzlich am Mittwoch aufgetaucht und erst heute wieder gegangen. Micky hat sich die Füße wund laufen müssen, weil die beiden Trullas mit ihm dauernd durch die Gegend gerannt sind. Donnerstag waren sie stundenlang am NOK und ( halt Dich fest ) gestern sind sie tatsächlich nach SPO gefahren.
      Und dann haben sie es sich gut gehen lassen. Üpig gefrühstückt, Torte gegessen und sonst noch alles mögliche. Und Micky und ich mussten immer auf unser Essen warten. Unsere Essenszeiten wurden nie eingehalten. Ich bin echt richtig sauer. Kann doch nicht angehen oder?

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    3. Nö, ein Alki ist die Putze nicht. Unsere Bar hat sie nicht geplündert. Ich tippe mehr auf Zuckerschock von dem ganzen Kuchen.

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    4. Unvernünftig. Und ich sag der Putze noch: "Iss kein Kuchen auf dem Seminar. Das ist nicht gut für dich."

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  5. Hi Boff, was immer du auch gerade machst. Sieh tu das du die Bude aufklarst. Deine Putze sitzt im Zug. Die ist im Anmarsch.
    Ein Freund

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    1. Okay, Luke. Danke für die Warnung. Ich bin ganz entspannt. Mir kann nichts passieren. Aber die Fendy kriegt gleich Ärger. Sie hat die Zimmerpalme mit Sauerkraut aus dem Fässchen vom Balkon behängt und mit Glitzerspray verziert. Der Mörßel macht Fotos für Instagram: Nur nicht das Weihnachtsgeschäft verpassen. Hihihi. Das kriegen die beiden nicht rechtzeitig weg. Darauf gebe ich Brief und Siegel.

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  6. Danke an Luna für die großartige Organisation - mit gekühlten Leberwurst Knödelchen!

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