Arbeitstreffen zwei und die Amy

Natürlich war es gut, dass wir uns noch mal trafen, um die letzten Planungen für die bevorstehende radikale Kaninchenbefreiung abzuschließen. Nicht länger als nötig sollten die armen Socken in ihrem Labor versauern. Die Zeit drängte. Bald wäre ja schon Weihnachten, und da sollten alle Tiere bei ihren Lieben sein oder wenigstens in geschützten, freundlichen Verhältnissen, falls es sich um Waisen oder anderweitig alleinstehende Kreaturen handelte. Und es war auch gut so, dass uns dafür das schleswig-holsteinische Landanwesen von Pit & Co zur Verfügung stand, denn dort hätten wir Platz und wären ungestört, sofern Tante Susanne und Lisa uns allein ließen.

Aber eigentlich war allen klar, dass wir uns in erster Linie dort treffen wollten, um uns von der Amy zu verabschieden. Ja, man sollte nicht drum herumreden. Es ist, wie es ist. Die Amy ist alt und krank und wird uns bald verlassen. Daher wollten wir noch mal eine richtige Fête steigen lassen – mit der Amy als Ehrengast und trotz des ernsten Grundes mit Stolz und Dankbarkeit im Herzen, um das Leben zu feiern und alles, was war, was ist und was sein wird.
 
Aus diesem Grund hatten sich alle aufgemacht. Dagegen muss der Zug der Vandalen nach Nordafrika ein mickriger Krückengang gewesen sein. Die beiden Taxen im Dorf waren jedenfalls komplett ausgebucht. Dort saßen wir drin mit Sack und Pack und den voluminösen Geschenken: die Cora, Paule, Karlsson, Polly, Luna, Erik, Fendy und ich. In der guten Stube warteten schon der Pit, der Luke, der Jack, der Lütte Junior und natürlich die Amy sowie draußen im Stall die vier Pferdedamen. Sie konnten aus Platzgründen nicht mitfeiern, hatten aber beim Anbringen der Girlanden geholfen und auch die Getränke schon auf die Terrasse gestellt. Die Kälte tat das Übrige. Huh, war das frisch draußen. Mir froren die Füße. Auch die Cora hatte sich die Mütze tief über die Ohren gezogen. Wir freuten uns auf den knisternden Kamin.

Sogar den Roosevelt und den Otis hatten wir mitgebracht. Vorerst waren sie allerdings im Zug auf dem Tisch immer wieder schnarchend umgekippt, so dass die Luna sie schließlich in ihren Rucksack gepackt hat. Später am Nachmittag sind sie dann munter geworden. Lange hat man sie bei der Amy sitzen sehen und von ihrem Onkel Theophil in Rumänien erzählen hören. Ich glaube, das war noch vor der Zeit gewesen, als unsere Reisetruppe den Pit und seine Family kennengelernt hatte, aber der Amy gefielen offenbar die ollen Kamellen aus den Karpaten. Mir hängen sie schon zu den Ohren raus, so oft, wie ich sie mir schon anhören musste.

Nur der Engelbert fehlte, da er in diesem Jahr auf dem Duisburger Weihnachtsmarkt den Notdienst macht. Falls der Strom ausfallen sollte, würde er sofort herbeieilen und alles wieder in Ordnung bringen. Dafür hatte er viele, viele Fortbildungsseminare besucht. Auch der Harald, Mias Ex-Heini vom Schwanenteich, war leider verhindert. Er hatte die Regie des Weihnachtsmärchens (Schneeweißchen und Rosenrot) unter sich und konnte nicht weg, ebenso wie der Max und die Mia, die zwar nichts mit speziellen Weihnachtsverpflichtungen am Hut hatten, sich aber trotzdem nicht loseisen konnten, obwohl sie es gern getan hätten – der Amy zuliebe und natürlich auch, um uns andere mal wiederzusehen. Doch am Niederrhein werden Reisen offenbar nicht gern gesehen, solange es viel zu tun gibt in der Sippschaft, und soviel ich weiß, sind die beiden dort in leitenden Ämtern unabkömmlich. Aber alle vier haben schöne Grüße ausrichten lassen und haben sich selbstverständlich am großen gemeinschaftlichen Geschenk für die Amy beteiligt (siehe ganz unten).

Gott sei Dank, die gute Stube war tatsächlich kuschelig beheizt. Auf dem Sofa auf einer Felldecke lag unser Ehrengast und nickte jedem freundlich zu. Die Amy machte einen entspannten Eindruck. Sie freute sich, uns zu sehen. Wir stellten uns in die Reihe, um unsere Gaben zu überreichen.

Immer wieder gut
 

Die Mädels hatten sich zusammengetan und was Duftendes ausgesucht. Es gab das Ensemble „Rosy Cheeks‟ von Trond Tørelkjøll, jenem norwegischen Designer, der neuerdings mit seinen angesagten Kreationen ganz Mailand aufmischt. Das Ensemble bestand aus Parfüm, Duschgel, Deo und Körperlotion.
„Jede Frau hat das Anrecht, gut zu riechen‟, hatte die Fendy die Wahl begründet.
Die Amy lächelte gütig.
 
Wir Männer hatten uns für was Handfestes, Praktisches entschieden – für einen Fresskorb. Den trat der Karlsson jetzt zentimeterweise voran, immer im Takt mit der Karawane, die langsam nach vorne ruckelte. Natürlich hatten wir nur beste Leckereien eingekauft, Roastbeefscheiben, Lachs, Thunfisch-Risotto, Schillerlocken, Hummer, Rinderfilet und solche Sachen, an denen man seine Freude hat, auch wenn einem sonst nicht mehr viel Zeit bleibt. Für den gesunden Snack zwischendurch hatte der Erik extra ein Bund Radieschen dazugelegt. Er war sehr stolz darauf und die Amy lobte das kreative Rot zwischen all den Tüten und Dosen.

Da wir, wie gesagt, zusammengekommen waren, um die Amy zu feiern, verstand es sich von selbst, dass wir Lukes Angebot zum Mieten eines Starkochs fürs Catering abgelehnt hatten. So was kann ja jeder. Ein paar Scheine in die Luft gewedelt, und schon ist man jede Anstrengung los? Nö, wir wollten die Frikadellen selbst braten, den Salat eigenhändig anrühren und die Schnittchen allein dekorieren. Der Pit hatte deshalb auf unser Geheiß hin den Küchenfritzen abbestellt und stattdessen ein Reinigungskommando für den nächsten Vormittag bestellt. Das sollte dann hinter uns aufräumen und saubermachen. Das wäre vertretbar, fanden wir, und bestimmt auch in Tante Susannes und Lisas Interesse, denn sie würden ja zurückkehren und ein gemütliches Daheim erwarten. Der Luke zuckte zu alledem nur die Achseln. Ihm war es egal, in welchem Serviceschlund seine Kröten verschwanden, er hatte andere Gedanken.

Immer wieder konnte man ihn beobachten, wie er sich an den Erik heranpirschte. Offenbar wollte er ihn in eine ruhige Ecke ziehen, um mit ihm etwas zu besprechen. Doch immer wenn der Erik den Luke herannahen sah, hat er sich schnell weggedreht, ist aufs Klo gerannt oder hat die Polly gefragt, wie lange die Würstchen noch im Wasser liegen müssten, damit sie warm werden. Es war offensichtlich, dass es dem Erik nicht wohl war in Lukes Gesellschaft. Vielleicht sind ihm Erinnerungen an sein traumatisches Praktikum gekommen, während er einfach nur feiern und fröhlich sein wollte. Jedenfalls hat irgendwann der Paule ein Einsehen gehabt, den Luke beiseite gezogen und ihn so lange vollgequatscht mit seinen Weibergeschichten und ärztlichen Attesten aus dem Knallbirnenheim, dass sich der Luke vom Acker gemacht hat und stundenlang nicht mehr zu sehen war. Erst am späten Abend, als die Polonaise sich gerade anschickte, durch die Küche zu trampeln, war er wieder da. Er lag neben dem Lütten Junior auf dem Boden und guckte uns zu. Gesagt hat er nichts, nur seine Schwanzspitze wackelte leicht hin und her.
„Partymuffel‟, hat die Cora der Luna zugeflüstert.

Doch so weit waren wir ja noch gar nicht. Erst mal hieß es, das Büfett zu bereiten. Wenn alle mit anpacken, geht so was ganz fix. Ich habe mit dem Erik und der Fendy das Gemüse geschnibbelt. Der Karlsson hat die Frikadellen im Backofen überwacht, die Luna hat mit dem Emil Ananas- und Apfelscheiben auf Spieße geschoben, der Jack hat Sprudelflaschen reingeholt, die Cora hat Baguette geschnitten und belegt, der Pit hat die Currysuppe umgerührt und die Polly hat alles ins Wohnzimmer geschafft. Dort lag noch immer die Amy auf dem Sofa. Sie hatte schon mal ein bisschen Hintergrundmusik eingeschaltet. Julio Iglesias sang „Chamooor, Chamooor, Chamooor‟. 

Hält Leib und Seele zusammen
 

Dann haben wir gegessen. Danach wurde alles auf die Terrasse gestellt, das Geschirr zum Abwasch für das Reinigungsunternehmen und die übriggeblieben Fressalien zum Frischhalten. Jetzt begann der gemütliche Teil. Wir haben uns im Kreis um die Amy herum auf den Fußboden gesetzt. Die Cora hatte ein lustiges Rätselspiel mit Karten mitgebracht. Wir haben sehr gelacht, als der Karlsson ein Schaf nachmachen musste, aber gegrunzt hat wie ein Hirsch mit Polypen. Beim Pantomimenraten ist dem Pit die Karte mit der Aufgabe „Mettwurst‟ zugeteilt worden. Ausgerechnet. Niemand hat herausgekriegt, was das sein sollte, als er einfach nur stocksteif mit erhobenem Kinn und zusammengedrückten Pfoten dastand. Die Vorschläge reichten von „Leuchtturm‟, über „Andacht‟, „Statue‟, „Wache vorm Buckinghampalast‟ bis hin zu „Räucherstäbchen‟ und „Mal sehen, wie lange Luft anhalten geht‟. Mittendrin saß der kleine Emil und wusste nicht, was er von alledem halten soll. Er guckte ganz fasziniert von einem zum andern. Für ihn war ja noch alles neu.
„Kennst du „50 Karten heb auf‟?‟, hat ihn der Paule gefragt.
Und dann hat er sich schlappgelacht, als der Knirps „Nö‟ gesagt hatte und prompt den ganzen Kartenstapel einzeln vor die Füße gefächert kriegte und alles wieder aufsammeln musste. Ach, dieser alte Witz.
„Lass ihn in Ruhe‟, hat sich die Cora eingemischt.
Sie ist ja sehr für Gerechtigkeit – oder einfach nur klug. Dankbar schaute der Lütte zu ihr auf. Die Cora hat nun einen Schüler mehr.
 
Als es ans Abendessen ging, fiel uns auf, dass wir nicht mehr genug sauberes Geschirr hatten. Also mussten wir alles wieder von der Terrasse reinholen und einmal durch die Spülmaschine jagen. Anschließend wurden wieder Brotscheiben belegt, Suppe wurde warm gemacht, Braten aufgeschnitten und Salat umgerührt. Die beiden Matschfalter, die ihren Schönheitsschlaf in Lunas Rucksack inzwischen beendet hatten, beklagten das Fehlen von gerösteten Spinnenbeinen. Damit werde jedes Hackbällchen erst richtig aromatisch.
„Haut bloß ab!‟, hat die Polly sie angebellt.
 
Nachdem wir auch das zweite Büfett abgeräumt hatten (diesmal gleich mit Zwischenstopp in der Spülmaschine für den nächsten Morgen), durfte jetzt offiziell zum Alkohol gegriffen werden. Die Sonne war längst hinter dem Rahsegel untergegangen. Der Karlsson holte seinen Single Malt hervor. Das ist Whiskey. Der wird in flache Gläser gefüllt und muss schwenkend mit der Körperwärme der eigenen Pfote in die richtige Temperatur gebracht werden.
„Gib mal her!‟, hat der Erik gesagt und sich das Glas pietätlos in den Rachen geschüttet.
Junge, Junge, der Kerl hat dazugelernt seit seiner ersten Party damals zu unserem Einstand. Entsetzt hat der Karlsson die Flasche an sich gerissen und nicht wieder aus der Hand gegeben.
„Ihr könnt ja Cocktails trinken‟, hat er gemeckert. „Ihr seid nicht reif für diesen aristokratischen Genuss.‟
 
Das haben wir dann auch getan. Die Fendy stellte sich an die Bar, der Jack assistierte ihr. Jo, die Fendy ist inzwischen zu einer guten Mixerin geworden. Davon haben wir uns ja neulich auf dem ersten Arbeitstreffen bei uns zu Hause überzeugen können. Die Cocktails sind lecker und abwechslungsreich. Die meisten Rezepte kann die Fendy mittlerweile aus dem Kopf. Bei andern hat der Jack ihr vorgelesen, was sie zusammenkippen muss. Die Nachfrage war groß. Dauernd lief einer an die Bar, stellte sein leeres Glas ab und kam mit einem vollen zurück. Aus der Stereoanlage dudelte jetzt Diskomucke. Die Amy hatte es so entschieden. Sie selbst trank keinen Alkohol wegen der Tabletten, die sie nehmen muss, aber sie hat es sichtlich genossen, dass wir alle um sie herumsaßen und uns unterhielten. Viel „Weißt du noch?‟ war dabei und „Jaaaa, in Rio an der Copacabana‟. Mal wieder bekam der Lütte Junior reichlich Anlass, um von einem zum andern zu schauen, weil wir so viel erzählten und lachten und lachten und gar nicht aufhören konnten, all das Revue passieren zu lassen, was wir mit der Amy (und ohne die Amy) auf all unsern Reisen erlebt hatten. Bei manchen Geständnissen staunten selbst die Luna und der Erik. Ich sag da nur Paris – Karlsson – Rinnstein – Bernadette (oder wie die Tussi noch mal hieß)‟. Oder als die ganze Truppe in Israel gelandet war, weil der Max, der Oberdepp, das Rote Meer mit dem Toten Meer verwechselt hatte. Zum Schreien komisch.
„Ach, und ich dachte immer, ihr wärt perfekt auf eure Reisen vorbereitet‟, hat der Erik die Augen aufgerissen.
„Sind wir ja auch‟, hat der Karlsson ihm mit dem Whiskeyglas zugeprostet. „Wir zeigen nur halt gern zwischendurch unsere Flexibilität, falls dies gewünscht wird.‟
 
Weil wir uns so gut unterhielten und die Amy nicht allein lassen wollten, haben wir diesmal aufs Tanzen verzichtet. Irgendwann – ich sagte es ja schon – waren wir allerdings so hacke von den Cocktails, dass sich doch noch eine Polonaise bildete und nach Fortbewegung verlangte. Alle außer dem Karlsson, der seine Whiskeyflasche nicht loslassen wollte, dem Luke, der zum Grölen und Trampeln keine Lust hatte, und der Amy, die wegen der Knochenschmerzen nicht mitmachen konnte, befanden sich nun gemeinschaftlich im lärmenden Zockelzug. Die beiden Fledermäuse hockten bei der Polly und beim Pit im Nacken und der kleine Emil rutschte als rote Laterne hinterher. Um den Anschluss nicht zu verlieren, hatte er sich an Pollys Schwanz festgebissen. Die schien das aber nicht zu stören, der guten „Bloody Mary‟ sei Dank. Bevor die Polonaise wieder das Wohnzimmer erreichte, hatte es den Lütten Junior unterwegs unter den Küchentisch gefegt. Dort blieb er liegen und schlief. Daher konnte er auch nicht dabei sein, als wir um Mitternacht der Amy unser Gemeinschaftsgeschenk überreichten.

Ich sagte es bereits: auch der Engelbert, der Harald, die Mia und der Max hatten ihren Teil dazu beigetragen. Wir hatten uns viele Gedanken gemacht, worüber sich die Amy freuen könnte und was ihr noch ein paar schöne Gedanken bescheren würde auf ihrem letzten Abschnitt hier auf dieser Erde. Nun, wir machten erst mal die Fenster auf, um frische Luft reinzulassen. Dann drehten wir die Musik leiser und die Luna trug mit der Fendy zusammen unser Album herein.

Ja, richtig gelesen, wir hatten für die Amy ein kleines Album zusammengestellt. Darin befanden sind gemalte Porträts von uns allen. Aber um die Sache ein wenig spannender zu machen, hatte nicht jeder sich selbst gemalt, sondern einen jeweils andern, der ihm zugelost worden war. Auf diese Weise waren sehr hübsche und sehr persönliche Gemälde zusammengekommen. Jeder hatte sich große Mühe gegeben. Man muss es so sehen, die Talente waren sehr unterschiedlich ausgefallen, aber unterm Strich kann man alles, glaube ich, guten Gewissens als Kunst zusammenfassen. Hier seht ihr die Werke in einer Zusammenschau:


Die Amy jedenfalls war begeistert – und gerührt. Sie hat sich ganz heftig bei uns bedankt. Sie war auch nicht wirklich traurig, sondern nur so emotional, weil sie nicht mit dem Album gerechnet hatte. Wir freuen uns natürlich, dass uns die Überraschung gelungen war, und bald hat die Amy die Musik wieder lauter gemacht, damit die Feier weiterging.

Ich glaube, es war gegen zwei Uhr morgens, als nur noch die Cora und der Luke übrig blieben. Die Cora war noch am Nippen an ihrem "Cuba Libre" und der Luke hörte ihr zu, was sie zu erzählen hatte von ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Duisburger Zoo und dass man in den Christstollen Marzipan reintut oder es auch sein lassen kann. Widerspruch wurde der Cora, soweit ich es beurteilen konnte, nicht zuteil. Der Rest hatte sich inzwischen im oberen Stockwerk in die Schlafsäcke gerollt. Der Karlsson schlief mit seinem Single Malt an der Seite (der nachtragende Honk), die Luna hatte sich an ihren Erik gekuschelt, der Paule schnarchte. Unten lagen die Amy und der Lütte Junior – die Amy nach wie vor auf dem Sofa, der Emil noch immer unterm Küchentisch.

Wie schön, dass wir am nächsten Morgen in Ruhe frühstücken konnten, ohne uns um den ganzen Müll und das dreckige Geschirr kümmern zu müssen. Dafür hatte sich ja der Reinigungstrupp angekündigt. Wir aßen die Reste vom Vortag und schoben die Baguettescheiben in den Toaster. Dem kleinen Emil dröhnte der Schädel. An heilenden Sprudeltabletten herrschte weder Mangel noch fehlte die Nachfrage. Trotzdem war es eine sehr schöne Feier gewesen. Die Amy hatte ihren Spaß gehabt, und das war ja die Hauptsache. Ach herrje, jetzt fiel mir erst auf, dass wir in dem ganzen Trubel ganz vergessen hatten, unser Arbeitsgespräch durchzuführen. Na, egal, das Karopapier für die genaue Planung würde der Karlsson wieder mitnehmen (so wie seine alberne Whiskeyflasche) und den Rest würden wir schon hinkriegen. Es ist schließlich nicht unsere erste radikale Tierbefreiung. Inzwischen können wir auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Das sollte uns zuversichtlich stimmen.
 
Nun ist es ja so, dass man automatisch traurig wird, wenn der Abschied kommt und man weiß, dass man sich nicht wiedersehen wird. Mir steckte ein Kloß im Hals, als ich mich von der Amy verabschiedete. Den andern ging es nicht anders. Alle nacheinander umarmten wir die Amy. Sie machte es uns leicht, indem sie lächelte.
„Ich habe keine Angst‟, sagte sie. „Ich gehe nur voraus. Tschüs euch allen.‟

Sie brachte uns noch bis an die Tür. Draußen wehte ein kalter Wind. Die Cora zog ihre Mütze tief ins Gesicht. Aus dem Stall wieherte uns eine der Stuten zu, das ich aber nicht verstehen konnte. Gerade als das Taxi vorfuhr, hielt auch der Bulli der Reinigungsfirma am Straßenrand. Männer und Frauen in braunen Overalls stiegen aus. Eimer und Schrubber wurden ins Haus getragen. Wir sahen die Amy noch immer auf den Stufen stehen. Wir winkten ihr zu. Dann fuhr das Taxi an. Im Rückfenster konnte ich die Amy noch immer dort stehen sehen. Sie blieb auch dort, als das Taxi umgekehrte und die Fendy mit dem Erik rausspang, weil wir den Roosevelt und den Otis vergessen hatten. Sie konnten schließlich in der Garderobe auf der Hutablage gefunden werden. Sie hatten sich dort zwischen den Mützen und Schals eine Kuhle zum Schlafen gemacht. Jetzt trug sie der Erik in seinem Rucksack nach draußen. Das Taxi fuhr wieder los. Die Amy schaute uns nach. Ihr Schwanz wedelte. Ich habe es genau gesehen.

Fotos: Amy © Club der glücklichen Vierbeiner
© Boff

Kommentare

  1. Liebe Freunde, es war ein rauschendes Fest und die Amy war so was von glücklich Euch alle noch einmal gesehen zu haben.
    Gestern nun hat sie sich aufgemacht zur Regenbogenbrücke. Die Mama war gestern noch einmal mit ihr in der Klinik und sie nicht gehen zu lassen wäre zur Qual geworden und das wollte die Mama auf keinen Fall.
    So durfte sie gestern Abend in Ruhe bei uns zu Hause einschlafen.
    Wir sind alle sehr, sehr traurig und vermissen sie jetzt schon unendlich. Aber die Mama hat gesagt das wir sie so lange im Herzen behalten bis wir sie im Himmel wieder im Arm halten dürfen.
    Run free Amy, Du hast jetzt keine Schmerzen mehr.
    Ich bin mir sicher, dass Oma, Amani und Hein Dich da oben in Empfang genommen haben, denn heute war der Himmel nicht grau in grau sondern leuchtete wunderschön den ganzen Tag.
    Dein Freund Pi

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    1. Wir waren auch glücklich, dass wir uns noch mal so richtig von der Amy verabschieden durften. Nur eins muss in Zukunft besser werden: Der Lütte Junior ist nicht fuseltauglich. Das muss er noch üben. Wenn er mit will auf unsere radikalen Tierbefreiungen, dann sollte er das hinkriegen, denn nicht überall, wo wir hinkommen, gibt es auch einen Küchentisch, unter dem er sich erholen kann.

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  2. Ob für mich auch jemand eine rauschende Party gibt, wenn's zu Ende geht? Ich hoffe und glaube wir haben Amy froh gemacht! Eine radikale Tierbefreiung mit zwei derart radikalen Vorbesprechungen kann eigentlich nur klappen. Grüße vom Karlsson, der sich an einem der dunkelsten Tage noch einen Single Malt genehmigt.

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    1. Natürlich kriegst du dann auch eine rauschende Party, ist doch klar. Wir wollen alle mal ins Herrenzimmer und gucken, was so geheminisvoll daran ist. Darauf warten wir aber noch liebend gern. Keine Eile, Karlsson, hörst du?!

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  3. Die Party mit Amy war wirklich super und wir haben die Zeit mit ihr sehr genossen. Sie kann sich glücklich schätzen ein so liebevolles Zuhause gefunden zu haben. Unsere Leute haben uns extra eine kleine Kerze für die Amy gebracht, als sie von ihrer Reise zum Regenbogen gehört haben. Natürlich nur elektrisch wegen des vielen Strohs in unserem Gehege.
    Vielleicht trifft Amy ja auch auf Eriks Bruder Stups und kann mit ihm ein Wettrennen machen. Wir sind gespannt, wer gewinnen wird.
    Grüße von Luna und Erik

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    1. Ganz bestimmt trifft die Amy den Stups. Manche Dinge sprechen sich halt schnell rum, auch hinterm Regenbogen. Beim Wettrennen würde ich wetten, dass der Stups gewinnt, einfach weil die Amy als Border Collie denkt: "Lass den mal wetzen, ich gucke so lange zu." Beim Buddeln allerdings, da sehe ich die Amy vorn. Sie hat lange Beine und kann sich fix in Stimmung schaufeln. Vielleicht trudelt ja irgendwann mal eine Postkarte in den Garten - bei euch oder bei uns - und dann werden wir die Ergebnisse erfahren.

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