Flying Hoppers

Gestern waren wir beim Erik in Celle. Die „Flying Hoppers‟ veranstalteten ein Showprogramm. Er ist der Trainer der Truppe, wie man weiß. Erst dachte ich, der Erlös sei für unsere Reisekasse, weil der Erik doch schon so selbstlos beim Haar- und Spielzeugverkauf mitgemacht hat, obwohl er gar nicht verreisen will, aber er meinte, nee, die Kohle brauchten sie selber für neue Trikots und Übungsgeräte. Wir sind natürlich trotzdem hingefahren, vor allem weil wir Unterstützung aus Schleswig-Holstein hatten. Die Amy war nämlich auch eingeladen. Seit der Erik auf dem Pferdehof seine denkwürdige Hospitation im hauseigenen Totmacher-Business überlebt hat, verbindet ihn eine freundschaftliche Sympathie mit der Amy. Sie sei so erfrischend unbrutal, weiß er zu schätzen. Und weil die Amy gerade aus dem Krankenhaus gekommen ist und noch viele Tabletten nehmen muss für ihr Herz, hat sich der Pit bereit erklärt, sie zu begleiten. Dem Erik war das sehr recht. Nicht dass er grundsätzlich was gegen den Luke oder den Jack hätte, Gott bewahre, beides seien nette Kerle, aber hinsichtlich seiner psychischen Genesung müsse er darauf achten, sich mit Leuten zu umgeben, die ihn nicht dauernd an das Trauma erinnern. Der Pit erfülle dieses Kriterium. Zwar gehöre er streng genommen auch zum Unternehmen, aber als Geschäftsführer habe er nur immer auf dem Küchentisch gelegen und geschnarcht, und außerdem rede er privat nur selten vom Geschäft. Das sei auszuhalten.

 
 
 
Die Fendy und ich standen auf dem Bahnsteig und wollten die beiden abholen. Sie sind mit dem 9-Euro-Ticket aus Hamburg gekommen. Als der Zug einfuhr, ergoss sich eine Völkerwanderung mit Fahrrädern, Rucksäcken und Taschen aus den Türen, dass es uns fast weggefegt hätte, wenn wir uns nicht rechtzeitig auf einen Abfalleimer gerettet hätten. Einen Border Collie und einen leberwurstfarbenen Kater konnten wir nirgends entdecken. Der Bahnsteig war schwarz vor Menschen. Als sich endlich die gröbste Welle verzogen hatte, kam schon wieder der Nachschub die Treppen herauf, um in den nächsten Zug einzusteigen.
 

 
„So kommen wir nicht weiter‟, habe ich gesagt. „Wir müssen uns aufteilen.‟
Ich bin links den Bahnsteig runtergflogen, die Fendy rechts. Huch, fast hätte ich die beiden gar nicht erkannt. Sie hockten im Raucherkarree neben einem Ascheneimer, die Amy mit einem breiten Strohhut mit Kirchgedöns auf dem Kopf und der Pit OHNE Proviantbeutel. Mensch, das war ja die geniale Tarnung. Auf so was war ich nicht vorbereitet.
„Puh, ich bin ganz fertig‟, hat die Amy gestöhnt. „Wir mussten die ganze Fahrt im Fahrradabteil auf dem Boden sitzen.‟
„Und jemand hat meine Windbeutel plattgetreten‟, hat der Pit hinzugefügt.
 
Oh je, das ging ja schon gut los. Welcher Depp packt auch Windbeutel in seine Fresstüte auf einer 9-Euro-Fahrt am Wochenende? Deshalb mussten wir erst mal ein paar Schokoriegel aus dem Automaten ziehen, nachdem auch die Fendy uns gefunden hatte. Dann ging es weiter mit Schmackes im Pulk in die S-Bahn nach Celle. Wir konnten einen Vierersitz ergattern dank Vordrängelei mit gezielten Schnauzenstößen von der Amy und diskreten Krallenhieben in nackte Unterschenkel vom Pit. Ich habe mich extra breit gemacht mit aufgefächerten Flügeln, damit sich niemand dazusetzte. Yeah, es hat geklappt! Die Amy hat ihren Fächer rausgeholt und sich Luft zugefächelt, der Pit hat seine Schokoriegel gefuttert. Von der Fendy wurden wir ungefragt unterrichtet, dass sie ja ebenfalls aus Celle stamme („Ach ja?‟), allerdings nicht aus der Kernstadt wie der Erik und die Luna, sondern aus dem Landkreis, was eigentlich schon tiefste Lüneburger Heide sei, aber egal, Heimat sei nun mal Heimat, nicht wahr? Sie trug ein orangefarbenes Bolerojäckchen aus sommerlichem Leinen mit Glitzerperlen, dazu ein passendes Opernbeutelchen fürs Kleingeld. Oh, das war gut, denn die „Flying Hoppers‟ kosteten Eintritt und ich hatte nichts dabei.

Celle ist hübsch - und alt


Als wir bei Erik im Garten ankamen, saß ein schwarzes Kaninchen hinter dem Schalter einer Kinderpost, neben sich ein Loch in Hecke und Gartenzaun. Hierbei handelte es sich offensichtlich um den Eingang. Der Schriftzug „Herzlich Willkommen – 1 Euro Eintritt‟ war über das Posthorn geklebt. Die Fendy kramte großzügig vier Euro aus dem Beutel. Wir durften eintreten.
„Uff‟, ächzte die Amy.
Sie musste sich ordentlich lang und schmal machen. Die Tür war für kleineres Publikum gedacht. Den Hut hat der Pit ihr nachgequetscht, weil er an der Hecke hängengeblieben war. Innen drin begrüßte uns eine freundliche Rasenfläche. Dort liefen schon allerlei Tiere umher. Weitere Kaninchen konnte ich sehen, dazu etliche Tauben, ein paar Eichhörnchen, Meerschweinchen, einige Katzen, einen Yorkshire Terrier und offenbar eine Kindergartengruppe Frischlinge. Die Amy blieb die mit Abstand größte Kreatur. Sie trug es mit ländlichem Gleichmut.

Wir begaben uns zu den Sitzplätzen. Eine Art Amphitheater war aufgebaut mit halbrund angeordneten Sitzgelegenheiten, das heißt mit Platzdeckchen aus Filz auf dem Rasen für das eher gemütliche Publikum, das dennoch seinen Bauch schonen wollte, und mit umgedrehten Holzkisten für jene Zuschauer, die ein wenig Erhöhung benötigten. Ich kletterte mit der Fendy hinauf. Hm, wenn ich mir das Ding näher betrachtete, bestand es gar nicht aus Holz, sondern aus Pappe, und an der Seite stand „Schnellkochtopf – 10 Liter‟. Weiter rechts von uns waren dann noch ein „Tischventilator – weiß, oszillierend‟ und ein „Kitchen Aid mit klappbarem Motorkopf‟ auszumachen. Spatzen saßen darauf. Ui, hoffentlich hatte der Erik das mit seinen Leuten abgesprochen, sonst gäbe es bestimmt Ärger.

Der Blick richtete sich in die Mitte auf die Arena. Jetzt war sie mit einem Parcours abgesteckt, der einmal rundherum ging.
„Sieht nach einem Rennen aus‟, hat der Pit gemeint.
Schon möglich. Programmzettel lagen jedenfalls nirgends aus. Stattdessen kam eine wohlbekannte Stimme näher, die von hinten „Eiiiiis! Will jemand Eis?‟ schrie. Wir drehten uns um. Die Luna schob eine Art Bauchladen vor sich her, nur dass er auf Rollen lief und nicht getragen werden musste. Ich glaube, es handelte sich um ein Skateboard mit einem Besteckkasten oben drauf.
„Hallo, da seid ihr ja!‟, hat sie uns begrüßt. „Und schön, dass die Amy auch gekommen ist. Wie geht es dir denn?‟
„Ganz gut‟, hat sie geantwortet. „Aber sag mal, eure Leute, machen die das alles hier so mit?‟
„Wieso? Was meinst du?‟
„Na, der Garten. Alles trampelt doch hier herum. Und dort hinten das Dixi-Klo neben dem Blumenbeet ...‟
„Ach, du meinst die Tischdecke vorm Komposthaufen. Nö, unsere Leute sind im Urlaub. Die kriegen das nicht mit. Unsere Nachbarn gucken nach uns, aber die wohnen am Ende der Straße und kommen einmal morgens und einmal abends vorbei. Bis dahin muss alles wieder weggeräumt sein. Ihr könnt uns ja nachher ein bisschen helfen. Wollt ihr 'n Eis?‟
Mit einer Zuckerzange fummelte die Luna in einem Cocktailshaker herum und hielt uns schließlich einen Eiswürfel hin. Innen war eine Scheibe Karotte eingeschlossen.
„Ach, nee, lass man‟, habe ich gesagt. „Was hast du sonst noch?"
„Geröstete Sonnenblumenkerne, Gurkenscheiben, Radieschen, Blumenkohlröschen, Goldfischli, Löwenzahnblätter, Mais und Hanuta."
„Ich nehme die Goldfischli‟, hat sich die Fendy gemeldet.
„Und ich die Hanuta‟, war der Pit zu vernehmen.
Die Amy wollte es sich noch überlegen und ich hatte am Morgen zu Hause einen halben Pfannkuchen verdrückt. Daher war ich noch nicht auf Gemüse angewiesen.
„Für euch umsonst‟, hat die Luna noch fröhlich gerufen, bevor sie weiterschob mit ihrem Sortiment. Wir guckten auf die Standuhr neben der Birke. Noch drei Minuten, dann sollte es losgehen.
 
Plötzlich zuckte alles zusammen – als wäre der Blitz eingeschlagen. Tauben und Meisen flatterten aufgeregt mit hektischen Flügeln, ein paar von den Frischlingen drückten sich schutzsuchend aneinander. Aus einem Lautsprecher (den ich vorher gar nicht bemerkt hatte) dröhnte nun der Anfang von „A final countdown‟. Dazu pufften hellblaue Rauchwolken in die Luft, dahinter kam auf einem Bollerwagen vor dem Parcours der Erik zum Vorschein. Genauer gesagt saß er – der besseren Sichtbarkeit wegen – auf dem Deckel eines Gartengrills, den man in den Bollerwagen gestellt hatte. Ein schwarzer Umhang mit rotem Futter umrahmte Eriks Schultern. Wow, was für eine Inszenierung. Graf Dracula höchstpersönlich war zur Begrüßung gekommen.
„Quatsch! Das ist der Zirkusdirektor‟, hat mich der Pit korrigiert.
Ach so.
Ganz offiziell wurden wir nun willkommen geheißen. Der Erik bedankte sich für unser zahlreiches Erscheinen, wünschte uns viel Spaß und erklärte die Veranstaltung für eröffnet. Daraufhin pufften noch mal ein paar Rauchwölcken durch die Gegend (diesmal grüne) und der Yorkshire Terrier zerrte an der Deichsel, um den Bollerwagen zur Seite zu kriegen. Das war eine ziemlich ruckelige Angelegenheit und der Erik musste ordentlich rudern, um das Gleichgewicht zu halten, denn der Deckel des Grills erwies sich als rutschig und auf dem Rasen liefen die Räder nur sehr unruhig. Ich vermute, diesen Part hatte man zu üben vergessen. Doch alles ging gut, der Erik blieb oben. Unter dem Applaus des Publikums erreichte er unbeschadet den Backstagebereich.

Nun ertönte ein Knall und eine Horde Schweine wetzte los, immer rund herum um den Parcours.

Vorbildlich in Form

 
Ich konnte es nicht glauben. DAS sollten die „Flying Hoppers‟ sein? Der Erik trainierte Hausschweine? Im Wettrennen? Ich war ehrlich gesagt ein bisschen enttäuscht. Fliegen konnte ich niemanden sehen und um das Gerenne als hoppen zu bezeichnen, musste man schon sehr viel Phantasie einsetzen.
„Mensch, hör doch zu!‟, wurde ich von der Fendy angeranzt. „Das ist das Vorprogramm. Hat der Erik doch gerade eben gesagt.‟
Oh, davon hatte ich nichts mitgekriegt, weil ich die ganze Zeit auf den Dracula gestarrt hatte. Na, wenn das so ist, bestand ja noch Hoffnung. Das Rennen erwies sich sogar als recht spannend. Ich habe den Blauen angefeuert und die Amy den Pinkfarbenen. Am Ende gewonnen hat der Gelbe. Drei Durchgänge wurden gelaufen. Ich nehme an, dass auch diese Truppe dringend auf die Einnahmen angewiesen war, denn einfach Farbe auf die Schwarte zu pinseln, war ja nicht wirklich ein würdiger Trikotersatz. 
 
Als Nächstes ging ein Eichhörnchen-Trio in die Arena. Zuvor hatten der Yorkshire-Terrier und die Schweine noch rasch den Parcours abgebaut. Wir erhielten nun eine unverstellte Sicht auf den Rasen in der Arena. Der Erik erschien wieder und sagte die nächste Nummer an. Seinen Umhang warf er nach wie vor majestätisch hinter sich, so dass das rote Futter geheimnisvoll aufblitze. Allerdings war er diesmal zu Fuß angetreten, vom Bollerwagen mit Grill keine Spur mehr. So konnte man ihn leider etwas schlecht sehen so tief unten auf dem Boden, dafür aber brüllte er umso lauter. Wir erfuhren, dass die Eichhörnchen Heidi, Lola und Roman hießen und aus Gifhorn kamen. Sie hatten schon bedeutend mehr Ähnlichkeit mit Hoppern. Zunächst zeigten sie Stunts zwischen den Baumkronen an der Hecke. Weil es aber ziemlich weit weg war von unsern Plätzen, konnte man bisweilen nur reges Rascheln von den Blättern vernehmen. Dazwischen sah man gelegentlich etwas Dunkles durch die Luft sausen. Ich glaube, sie sprangen von Baum zu Baum.
„Was machen die da?‟, hörte ich einen der Frischlinge fragen. 
 
Ohne Netz!

 
Besser wurde es erst mit der Sicht, als sie auf den Rasen in die Arena zurückkehrten. Hier führten sie eine Trampolinnummer auf. Schwung holten sie von einem Tennisschläger, der mit Schraubzwingen in eine Werkbank eingespannt und mit einem Handtuch abgedeckt war. Hui, nacheinander holten sie Anlauf, sprangen ab, drehten Salti und landeten sicher und athletisch im Gras. Während die Schweine und der Yorkshire Terrier (der übrigens „Wolfi‟ hieß, wie wir inzwischen erfahren hatten) das Trampolin wieder wegschoben, stellten sich die drei zum abschließenden Disco-Tanz auf. Musik tönte wieder aus dem Lautsprecher (diesmal aber nicht ganz so laut). Dazu wippten die Eichhörnchen mit den Hüften, ließen die Puschelschwänze kreisen, schlugen Rad und machten Flick-Flaks in atemberaubender Geschwindigkeit, alles total synchron und im Rhythmus der Musik. Entsprechend frenetisch war der Applaus. 

Roman und Heidi bei der Figur "Bauchklatscher"
 
 
Dann kam der Erik wieder und brüllte, dass wir bitte die Flugstaffel „Ducki-Ducki IV‟ aus Goslar recht herzlich begrüßen sollten. Wir wurden an den Himmel verwiesen. Erst starrten wir unschlüssig in die Wolken, weil nichts geschah und niemand wusste, auf was wir eigentlich warteten, doch dann kam auf einmal ein Geschwader Enten angeflogen und kreuzte unsern Garten von rechts nach links. Erst flogen sie ein Dreieck, beim zweiten Durchgang (jetzt von links nach rechts) eine Leiter übereinander und schließlich teilten sie sich auf und flogen frontal aufeinander zu, wobei sie geschickt den Zusammenstoß vermieden und es schafften, aneinander vorbeizukommen, ohne sich zu berühren.
„Toll!‟, hat die Amy gestaunt.
Pöh, Angeber. Kann ich auch. Aber natürlich habe ich nichts gesagt, schließlich waren wir Gäste und die Enten hatten sicher lange trainiert.

Diese Figur heißt "Concorde"


Danach war Pause. Alles erhob sich. Schnell bildete sich eine Schlange vorm Dixi-Klo, eine andere vorm Stand mit dem Sprudelwasser. Ein graugestreifter Kater stand neben einem Soda-Automaten und verteilte Plastikbecher.
„Bitte zurückbringen. Wegen der Umwelt. Wir waschen die aus.‟
Die Fendy kaufte uns vier Becher, zwei mit nur Wasser und zwei mit Orangengeschmack. Die Luna war auch wieder unterwegs mit ihrem Bauchladen. In der Ferne konnte man sie sehen, allerdings nicht lange, weil sie im Nu umringt war von Leuten, die unbedingt gerösteten Löwenzahn oder Zwiebelringe im Eiswürfel haben wollten. Stattdessen gingen wir ein bisschen spazieren. Einige Taubenkinder spielten Ringe werfen mit Einweckringen an einem Gerät, das aussah wie frisch von der Wand montierte Garderobenhaken. Ein paar Frischlinge balgten sich auf einer Hüpfburg. Sie bestand aus einem Berg gestapelter Federdecken. Man hatte wirklich an alles gedacht.
 
Im zweiten Teil ging es endlich richtig zur Sache. Der Erik sagte die „Flying Hoppers‟ an. Ich hatte mich schon gewundert, was die Hürden sollten, die jetzt überall in der Arena verteilt standen. Häh? Schon wieder ein Rennen, diesmal als Geländelauf? Oder was sollten die Dinger darstellen?
„Kennst du das nicht?‟, hat die Amy ein wenig vorwurfsvoll gefragt. „Das nennt sich „Kaninhop‟."
„Wie …  was … Kaninhop?‟
„Ja, das ist ein Sport. Für Kaninchen. Dazu braucht man gute Kondition. Und Gelenkigkeit.‟
„Also so was wie Agilty für Hunde, nur als Sprung über Hindernisse‟, hat sich der Pit eingemischt.
 
Kuno aus Boye - fehlerfrei

 
Nun mal langsam. Der Onkel aus Hannover wollte verstehen. Hieß das, die „Flying Hoppers‟ sind gar keine Turnformation, sondern ganz simple Einzelkämpfer, die den ganzen Tag über Holzstäbe hopsen und kein bisschen fliegen können?‟
„Fendy, hast du das gewusst?‟
Das wäre ja noch schöner, wenn ich hier allein der unwissende Depp gewesen wäre. Zum Glück schüttelte sie den Kopf. Puh, da hatte ich ja noch mal Glück gehabt im Unglück. Weiter kamen wir allerdings nicht mit tieferen Betrachtungen, weil neben mir ein paar Rotkehlchen und ein Hamster „Psst‟ machten. Inzwischen war auch schon der erste Kandidat der „Flying Hoppers‟ über die Strecke gegangen und hatte keine einzige Stange gerissen. Der zweite Kandidat wartete bereits an der Startlinie. Bei jedem geglückten Hopp schrie das Publikum „Heeeeey!‟. So getragen von der Begeisterung flogen die Kanichenhaxen nur so dahin im eleganten Spagat, dass man kaum nachkam mit dem Anfeuern.
„Die sind echt gut‟, hat die Amy anerkennend geflüstert.
Wahrscheinlich weiß man auf dem Lande über Kaninchensport Bescheid. Ich kann da nicht mitreden, ich wohne in der Stadt.
 
Nun ja, Antalya-Marie ist erst seit April dabei

 
Guckt euch das an, welche Kunst: Klettern ist erlaubt. Leider hat Betsy drei Stangen mitgenommen

 
„Hat's dir denn gar nicht gefallen?‟, wollte die Amy wissen, als das Programm durch war und der Erik ein letztes Mal erschien, um uns zu verabschieden. Zum Antworten kam ich nicht, denn nun wurde die Anlage wieder aufgedreht, diesmal mit „Time to say goodbye.‟ Unter dem dramatischen Anschwellen der Melodie schob der Erik mit der rechten Pfote seinen Dracula-Umhang auf den Rücken und wartete geduldig wie ein Radfahrer vor der geschlossenen Schranke inmitten der Arena, bis das Lied zu Ende gedudelt war und er endlich das Wort an sein Publikum richten konnte. Bunte Rauchwolken unterstützten ihn diesmal nicht. Der Erik war ganz auf sich allein gestellt. Er bedankte sich für unsern Besuch:
„Kommt gut nach Hause. Passt auf euch auf. Auf Wiedersehen.‟
 
Wir streckten uns. Wo war die Luna abgeblieben? Sollten wir nicht noch beim Aufräumen helfen? Während sich die Zuschauer langsam in Richtung Loch in Hecke und Zaun begaben, schoben Wolfi und die Schweine die Hürden zusammen. Der Soda-Kater sammelte seine Becher ein.
„Huhu!‟, machte es plötzlich hinter uns.
Wir fuhren zusammen. Der Erik stand da, der Zirkusdirektor persönlich, allerdings in Privatkleidung ohne Cape.
„Da bist du ja!‟, hat sich die Fendy gefreut. „Dein Programm ist wirklich toll. Die „Flying Hoppers‟ sind echte Profis. Vielleicht kannst du ja nächstes Mal ein paar Operneinlagen gebrauchen. Ich bin bereit.‟
 
Gut, dass es in diesem Augenblick neben uns ein dumpfes „Pfffooo‟ machte. Ich hätte nämlich nichts zu sagen gewusst. Die oberste Schicht der Hüpfburg war geborsten, verursacht von Pits Krallen. Unbemerkt hatte er sich davongeschlichen, um auch mal eine Runde zu hopsen. Jetzt stoben ganze Wolken Inlet-Federn aus den Decken und rieselten ungeniert auf den Rasen und in die Beete. Du liebe Güte, hatte man mit dem Gepopele nicht schon genug Sorgen am Hals? Musste der Kerl jetzt auch noch fremdes Eigentum aufschlitzen? Die Luna kam angerannt.
„Schnell! Ich hol den Staubsauger von drinnen. Das saugen wir weg.‟
 
Dank der Amy (und einer Verlängerungsschnur zum Schuppen) konnte in der Tat fast alles beseitigt werden, was weiß war und nicht in die Botanik gehörte. Gott sei Dank. Wir andern brachten die Pappkisten und die Filzuntersetzer zurück in die Küche, klaubten die Einweckringe auf, harkten hingematschte Gurkenscheiben aus dem Gras und nahmen die Tischdecke von der Leine vorm Komposthaufen. Am Ende hatten etliche Pfoten und Füße mitgeholfen, den Veranstaltungsort wieder zu dem unschuldigen Garten zu machen, der er vorher war. Okay, zugegeben, ein bisschen mitgenommen sah der Rasen an manchen Stellen schon aus, besonders dort, wo die Schweine langgerannt waren, aber das würde er gut begründen können mit den Trainingsstunden der „Flying Hoppers‟, war sich der Erik sicher. Und? Hatten die Einnahmen ordentlich was gebracht? Man fieberte schließlich mit.
„Weiß ich noch nicht. Ich habe noch nicht nachgezählt.‟
Na, dann wollen wir mal hoffen, dass es für ein Set hübscher Trikots reicht und vielleicht noch für ein bisschen mehr.

Wir verabschiedeten uns. Die Luna und der Erik brachten uns zum Ausgang. Als wir draußen waren (inklusive Amys Kirschenhut), kam das schwarze Kaninchen, das in der Kinderpost gesessen hatte, und begann das Loch in der Hecke von innen mit kleinen Zweigen zu füllen. Genial. So würde man diesen Geheimgang nicht erkennen, zumindest nicht von Weitem. Ich muss schon sagen, der Erik und die Luna waren gewiefte Geschäftsleute. Sie wussten, wie man ein Publikum einnimmt. Dabei macht der Erik immer so den Eindruck, als komme er nicht hoch mit dem Hintern. In Wahrheit steckt in ihm ein smarter Organisator. Mit dem Reisen hat er's zwar nicht, aber ich glaube, die Luna mit ihren Hummeln unterm Fell wird in ihm noch einiges wachkitzeln können. Man darf gespannt sein.

Für uns ging's zurück nach Hannover – also wieder rein in die 9-Euro-Kutsche. Unbeschwert geht anders. Trotzdem hat sich der Pit durchschlängeln und einen Zweiersitz besetzen können. Immerhin, wir brauchten nicht zu stehen. Für die Amy und den Pit war die Qual allerdings noch nicht zu Ende, denn sie mussten sich ja noch in den Zug nach Hamburg quetschen. Dort würden sie von Lisa mit dem Auto abgeholt werden – das heißt, wenn sie bis dahin noch nicht plattgedrückt wären. Also aufpassen und notfalls vielleicht ein bisschen vor sich hinstinken, damit die Leute einem aus dem Weg gingen.
„Was meinst du wohl, was ich die ganze Zeit auf dem Herweg gemacht habe?‟, hat der Pit geseufzt. „Und hat's geholfen?‟
Oh je, die beiden konnten einem leid tun. Wir haben ihnen noch schnell Sandwiches gekauft und für die Amy eine Platte Butterkuchen extra. Wenigstens verhungern sollten sie nicht. Dann fuhr der Zug ein.
 
„Du fandest die „Flying Hoppers‟ nicht wirklich doof, oder?‟, hat mir die Amy beim Vorrücken über die Schulter zugerufen.‟
„Do-oooch!‟, habe ich zurückgebrüllt.
Resigniert sackte sie ein wenig zusammen. Hihihi. Manchmal macht lügen großen Spaß.
 
UPDATE. Wie man unten aus den Kommentaren ersehen kann, ist der Luke inzwischen als Sponsor für die „Flying Hoppers‟ eingetreten, um den Verlust der Einnahmen wegen Pits Dusseligkeit auszugleichen. Wem nicht mehr genau in Erinnerung sein sollte, wie Lukes Firma heißt und welches Logo sie hat, dem sei hier noch mal das Firmen-Briefpapier vorgestellt. Und nun kann sich jeder selber ausmalen, welche Wahl der arme Erik hatte: 
 

 
 
Fotos: Erik und Luna: © K. R.
           Amy und Pit: © Club der glücklichen Vierbeiner 
           Celle: Stig Nygaard. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
           Schweinerennen: Mike Prince. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
           Fliegendes Eichhörnchen: Joachim Dobler. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
           Zwei Eichhörnchen: gadgetgirl. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
           Enten: m.shattock. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
           Kaninchen 1: Daniel Jurena. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
           Kaninchen 2: Daniel Jurena. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
           Kaninchen 3: Daniel Jurena. Foto steht unter Creative Commons Licence/Flickr
  
© Boff 

Kommentare

  1. Bis auf die Fahrt mit dem 9-Euro-Ticket was es wirklich ein netter Nachmittag. Ich wollte ja auch erst die Limousine vom Luke nehmen, dann wäre wohl auch der Karlsson mitgekommen, für den war die Bahnfahrt ja unter seinem Niveau...aber, ich hatte befürchtet, dass dann auch der Jack oder der Luke sich uns angeschlossen hätten und da der Erik ja so zart besaitet ist, wollte ich ihm das nicht an tun.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Der Erik sagt, sie hätten 283, 26 Euro eingenommen. Davon gehen allerdings 258,75 Euro ab für die Federdecken, die jemand kaputt gemacht hat und die ersetzt werden müssen, bevor Eriks Leute aus dem Urlaub zurückkehren und sich zudecken möchten. Und du laberst von eurer Limousine. Mann, Mann, Mann ...

      Löschen
    2. Ach weiß Du Piepsi, dass konnte doch keiner ahnen, dass dieses Teil so überhaupt nicht widerstandsfähig ist. Mit Absicht habe ich das bestimmt nicht gemacht.
      Aber wir haben in der Zwischenzeit schon alles mit dem Eric geregelt. Luke hat die Trikots gesponsert. Gab leider ein bisschen Gerangel bezüglich der Werbung auf den Trikots, aber wir konnten uns mit Erich einigen.

      Löschen
    3. Meine Güte das ganze Drumherum so einer Veranstaltung ist wirklich nervenaufreibend. Den Tag darauf sind schon unsere Leute aus Schweden wiedergekommen. Zum Glück waren die von der langen Autofahrt so geschafft, dass sie noch nicht die Energie hatten, alles ganz genau in Augenschein zu nehmen. So konnten wir noch ein paar Schönheitskorrekturen im Garten vornehmen. Auf den Komposthaufen haben wir noch schnell eine Ladung Kaninchenmist draufgekippt, um nicht in Erklärungsnöte zu geraten, warum dort so viel Vogelschiete und Riesenköttel liegen.
      Übrigens haben wir heute viel Lob bekommen, dass wir schon mit dem Umgraben des Rasens weitergemacht hätten. Mensch, ich hatte ganz vergessen, dass der ja neu gemacht werden soll wegen des vielen pieksigen Mooses. Da hätten wir uns Samstag einiges an Arbeit ersparen können. Wenn man die Schweine noch ein paar Rennen laufen lassen würde, wäre das Umgraben ruckzuck erledigt. Fragt sich nur, wie ich unsere Leute dazu bringen soll, die Schweine zu engagieren, ohne unsere vergangene Aktion zu verraten. Wenn einer von euch eine Idee hat, immer her damit.
      Die neuen Federdecken sind bestellt und werden Ende der Woche geliefert, wenn wir morgens wieder alleine zu Hause sind. Wir haben so lange leichte Decken eingezogen. Dass das viel besser fürs Schlafen bei der Hitze ist, hat unsere Familie gleich in der ersten Nacht festgestellt und uns dafür ein extra tolles Frühstück serviert - super knusprige Saatenstangerl und Obstspieße gibt es schließlich nicht jeden Tag. Lecker!
      Erik ist ganz glücklich, dass es nun doch noch mit den neuen Trikots geklappt hat. Bis zum nächsten Auftritt sollten sie hoffentlich geliefert sein. Ich kann übrigens gut verstehen, dass er nicht damit einverstanden war, dass auf den Trikots Werbung für Lukes Firma gemacht wird. So ganz hat er seine Erlebnisse noch immer nicht verarbeitet und sonst würde er ja bei jedem Training und Auftritt daran erinnert werden.
      Was ich aber noch sagen wollte: Toll, dass ihr wirklich hergekommen seid. Wir hoffen, für Amy war der Ausflug nicht zu anstrengend und ihr seid gut wieder daheim angekommen.

      Löschen
    4. Luke gibt dann eben doch auch mal gerne.
      Und Amy war abends zwar ziemlich geschafft, hat den Ausflug aber ansonsten gut überstanden.

      Löschen
    5. Weißt du was, Luna? Eure Show war wirklich prima organisiert. Ihr hattet so viele schöne Ideen. Zu dumm nur, dass das mit den Federbetten passiert ist. Was hätte der Erik jetzt für tolle Trikots kaufen können?! Aber nein, stattdessen muss seine Truppe jetzt mit „Luke – dein Tierkümmerer‟ auf dem Rücken herumlaufen. Ha! Wat 'n Witz, wenn man weiß, womit der Laden sein Geld macht. Trotzdem immer noch besser als das Firmen-Logo „Hopp & Ex‟ (obwohl „hopp‟ ja eigentlich perfekt gepasst hätte) oder das Firmen-Porträt vom Luke ohne Text. Beides hätte dem friedlichen Kaninchensport sicher nicht gutgetan. Aber na ja, sie haben sich ja geeinigt. Ich bin gespannt, welche Farben sich der Erik ausgesucht hat.

      Um die Rennschweine für eure Rasenerneuerung zu gewinnen, schlage ich vor, dass du deinen Leuten erst mal erklärst, was die Vorzüge von Schafen sind. Die sind nämlich praktisch, weil sie den Rasenmäher überflüssig machen und obendrein vollkommen öko sind. Wenn deine Leute das verstanden haben, dann kannst du ihnen verklickern, dass es so was Ähnliches gibt, nur für ein anderes Gewerk sozusagen, nämlich als Schweine, die den Rasen umgraben, statt ihn abzufressen. Das wird sie überzeugen. Jetzt brauchst du nur noch zu sagen: „Oh, ich kenne zufällig ein paar Ehrenamtliche aus der Nähe, die für ein bisschen altes Brot bereit wären, uns im Garten zu helfen.‟ Und den Schweinen sagst du dann, sie dürften bei euch auf dem Rasen kostenlos trainieren, was das Zeug hält. So hätten beide Seiten was davon, und du stehst sogar noch als Heldin dar, weil du so tolle Ideen hast und deiner Familie ein Problem abnimmst, mit dem sie allein hoffnungslos überfordert wäre. Das bringt dir bestimmt weitere leckere Saatenstangen und Obstspieße ein. - Bitte sehr, keine Ursache, ich helfe gern, wenn ich kann.

      Jedenfalls drücke ich die Daumen, dass niemand so genau hinguckt, damit ihr bald mal wieder so eine Show veranstalten könnt. Ohne Menschen, nur mit uns Tieren, ist es doch am schönsten.

      Löschen
  2. Kaninchen, die rumhopsen - naja - nicht so mein Geschmack. Auf meinem Gut wollte sich mal ein Junghase einnisten, dem habe ich ein wenig in den Po gezwickt, dann hat er das Anwesen verlassen und kam auch nicht wieder. So.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Kaninchen hopsen bzw. hoppeln nunmal oder hast du schon welche mit Flügeln gesehen?! So.

      Löschen
    2. Ja, für Gutsherren, die ihr Anwesen sauber halten wollen, war das Gehopse auch nichts. Das war Sport und alle waren friedlich.

      Löschen
  3. Meine Güte ist das heiß. Gut, dass wir am Tag unserer Show nicht so ein Wetter hatten. Erik und ich sind dankbar für jedes Lüftchen, das etwas Abkühlung bringt. Am liebsten liegen wir im Schatten unter der Sonnenbraut rum, da sind wir schön versteckt, es ist es kühl und riecht außerdem gut. Über uns summen die Bienen und sammeln fleißig ihre Vorräte. Das ideale Fleckchen zum Entspannen. Nur, weil ich da heute ein klein wenig gegraben habe, um es noch ein wenig komfortabler für uns zu machen, gab es Ärger mit unseren Leuten. Ich weiß gar nicht, warum die sich über das bisschen Gebuddel immer gleich so aufregen. Apropos Aufregung: Boff, kann es sein, dass eure Putze uns ausspionieren will oder heimlich als Paparazzo arbeitet? Ich könnte schwören, dass die vor ein paar Tagen hier war. Nicht etwa, um uns ein leckeres Buffett vorbeizubringen (Obstspieße hätte ich toll gefunden), sondern um wie die Wilde rumzuknipsen. Versuch das mal bitte rauszubekommen. Ich hoffe nicht, dass die Fendy und du hinter der Aktion steckt. Auf jeden Fall war es mit der Entspannung da vorbei, man will ja auch schließlich nicht wie der letzte Schlumpf auf Fotos aussehen.
    Erschöpfte Grüße von
    Luna

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, das ist merkwürdig. Was hat denn unsere Putze bei euch verloren? Nicht auszudenken, dass sie sich daneben benommen hat und jetzt ist unser guter Ruf in Celle dahin. Nee, das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Unsere Putze kann nicht fotografieren. Ich lach mich immer schlapp, wenn sie sich unelastisch in die Hocke begibt und dann mit der Digicam vor den Blumen herumfuchtelt wie nicht ganz dicht. Die ist als Paparazzo völlig ungeeignet. Und ehrlich gesagt bin ich auch froh darüber. Andernfalls käme ich aus dem Fremdschämen ja gar nicht mehr heraus. Du musst dich also vertan haben, liebe Luna. Von uns war keiner bei euch.

      Löschen
    2. Einerseits beruhigt mich das, andererseits auch wieder nicht. Wer war dann die fremde Frau, die uns völlig hemmungslos geknipst hat? Ich muss gleich Erik noch einmal befragen, ob der vergessen hat, mir zu berichten, dass ein Shooting bei ihm ansteht.

      Löschen
    3. Hast du mal geguckt, ob euer Geheimeingang in der Hecke noch zu ist? Nicht dass sich die fremde Else dort durchgequetscht hat. Ich würde das nächste Mal nach dem Presseausweis fragen. Knallhart. So geht's ja nun nicht, dass jeder einfach Fotos von euch macht.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen